76 III. Württemberg als Herzogthum.
Maximillan I. folgte sein Enkel Karl V. (1519 bis 1556). Bei
diesem Regierungswechsel hätte Ulrich durch kluge Nachglebigkelt und
Besonnenhelt die für ihn ungünstige Sachlage bessern können. Aber
diese beiden Eigenschaften kannte Ulrich nicht. Er saß gerade mit seinen
Rittern und Prälaten bei dem Leichenschmause (Feler wegen des Kaisers
Tod), als die Nachricht kam, daß die Reutlinger den herzoglichen Burgvogt
auf Achalm erschlagen hätten 1). Diese Nachricht war ein Funke in's Pulver-
* faß. Augenbllcklich zog Ulrich 2) mit einem Haufen Reisiger vor die Stadt
Reutlingen und beschoß sie, bis sie sich nach sechstägiger Belagerung über-
gab. Der Sieger hlelt seinen Einzug in die Stadt, machte sie zur würt-
tembergischen Landstadt zwang die Bürgerschaft zur Huldigung, nahm die
Kassen in Beschlag und gab der Stadt ein neues Wappen, zur Verwaltung
einen Obervogt und zur Erhaltung der Ruhe eine starke Besatzung. So ver-
lor die Stadt wegen Tödtung eines Beamten ihre Selbständigkelt. Fürwahr
eine harte Strafe! Dabei ließ Ulrich verlauten, alle schwäbischen Reichstädte
sollten noch sein werden. Stand er doch im Bunde mit Franz I. von Frank-
reich; so glaubte er mit dessen Hilfe jeder Gefahr trotzen zu können 3).
Gegen die begangene Gewaltthat erhob sich nun mit aller Macht der Schwä-
bische Bund, der unter der Anführung des Herzogs Wilhelm von Bayern,
des Bruders der Sabina, und Georgs von Frunosberg bald 30,000
Mann in's Feld stellte. Dagegen hatte Ulrich 12,000 elgene Mannschaft;
mit dem von der Landschaft verwilligten Geld warb er noch 14,000
Schweizer. So zog er den Bündischen entgegen. Aber bald wurden die
Schweizer von ihrer Regierung heimberufen. Mit seinen ungeübten Leuten
konnte der Herzog gegen die tüchtigen Landsknechte Frundsbergs nichts an-
fangen. Darum entließ er mit blutendem Herzen seine Mannschaft und flüch-
tete sich mit seinen Kindern Anna und Christoph und dem herzoglichen Haus-
schatz nach Tübingen. Hler übergab er seine Kinder der Tapferkeit und Treue
seiner Ritter und floh dann hllfesuchend in die Welt hinaus ).
1) Reutlingen, eines der ansehnlichsten Mitglieder des schwäbischen Bundes,
stand seit dem Jahre 1505 unter württembergischem Schutz und zog daraus für Handel
und Gewerbe manchen Vortheil. Das Verhältniß zwischen Würtkemberg und der Stadt
wurde jedoch bald ein gespanntes, da die Reutlinger in den herzoglichen Forsten wil-
derten und im Jahre 1514 fliehende aufrührerische Bauern aufgenommen hatten. Als
der herzogliche Forstmeister in Urach einen Reutlinger Bürger erschlug, war die That
nicht genügend gefühnt worden.
2) Sein blödfinniger Vater Heinrich rief im Wahnfinn dem ausziehenden Ulrich
die prophetischen Worte nach: „Ol er wird wohl zum Lande hinausziehen!“
3) Seine Söldner sangen in frecher Parodie das Vaterunser:
„Gib uns unser täglich Brot.
Wir haben Geschütz für alle Noth.
Vergib uns unfre Schuld,
Wir haben des Königs von Frankreich Huld,
Als wir vergeben unsern Schuldigern,
Wir wollen dem Bund das Maul zusperr'n“" u. s. w.
4) Die Sage weiß von einem längeren Aufenthalt Ulrichs in der Nebelhöhle,
von der aus er bei Nacht zu dem trenen Ritter von Lichtenstein hinaufstieg, wo er auf
das „Wer da?" des Thorwächters die Antwort gab: „Der Mann!“ und damn einge-
lassen wurde. Ueber den Stand der Dinge im Land umher habe ihm „der Pfeifer
von Hard-“ Nachrichten gebracht.