66 Oer Seekrieg vom 2. Augußst 1914 bis 24. Februar 1915
der Lösung der Aufgabe, die ihm geglückt war, als er dort alle Kräfte unter
seiner Flagge vereinigt hatte. Er sabh die Juan-Fernandez-Inseln und die
Schneegipfel der Anden auftauchen, Cradocks Flaggensignale wehen, „Good
Hope“ brennend in Nacht und Nebel untertauchen, „Monmouth“ sinken
und sein siegreiches Geschwader unter dem Jubel der deutschen Kolonie un.
beschädige in Valparaiso einlaufen. So weit war alles gut gegangen. Aber
dann? Hatte er recht getan, dann von Valparaiso südwärks zu steuern und
um das Kap Hoorn den Weg in den Atlantischen Ozean zu suchen, um sich
nach der Nordsee durchzuschlagen? Wie, wenn er sich gegen die Japaner
gelehrt und im Kampfe mit ihnen gefallen oder nach Schädigung dieses
Feindes in einen amerikanischen Hafen eingelaufen wäre und die Flagge
niedergeholt häcte, um die Engländer des Triumphes zu berauben, ibr
Prestige wiederhergestellt zu sehen?
Wer weiß, ob dem nicht politisch, sondern streng militärisch denkenden
Mannc auf der deutschen Kommandobrücke diese Erwägung gekommen ist?
Doch wenn das auch nicht der Fall war — sicher fraß einen Augenblick der
Iweifel an ihm, fragte er sich, ob er richtig gehandelt hatte, als er nach den
Tagen von Valparaiso die Falklandinseln anlief, statt diesen magnetischen
Eilanden auszuweichen und so rasch als möglich die Ostküste Südamerikas
oder die Weite des Atlantischen Ozeans zu gewinnen.
Admiral Graf v. Spee hat auch in diesem Falle so gehandelt, wie er
kraft seiner militärischen Erziehung und der persönlichen Erfassung der all.
gemeinen Lage handeln mußte. Er wolltee nicht an dem einzigen größeren
Stügpunkt Englands im Südwestatlantik vorbeigehen, ohne den Funkenturm
und die Werft zu zerstören; kraf er dabei auf feindliche Seestreitkräfte, so
war er zwar gewille, den Kampf zu vermeiden, um niche mit leeren Pulver-
kammern vor der Nordseesperre zu erscheinen, aber darauf gefaßt, im Notfalle
zu kämpfen, fürchtete er doch weder den langsam fahrenden „Canopus“ noch
die von Cradock an der ostamerikanischen Küste zurückgelassenen Kreuzer,
wenn es zum Schlagen kommen sollte. Erst als er die Amrisse der Orei.
beinmaste der Schlachtkreuzer „Invincible“ und „Inflexible“ auftauchen sah,
die er in der Nordsee gefesselt glaubte, wo Hipper damals Granaten auf die
englische Küste schoß und deutsche Tauchboote von Zeebrügge aus den Kanal
bedrohten, wurde ihm klar, daß ihn seine Berechnung betrogen hatte. Er
hatte das politische Element nicht voll eingeschägt, nicht daran gedacht, nach
deutscher Aufsassung vielleicht nicht daran denken können, daß England die
Vernichtung des Siegers von Coronel als zwingende polinsche Notwendig.
keit empfinden und seine Seestrategie dieser Notwendigkeit ohne Zögein
dienstbar machen werde. Dazu kam noch Sturdees Schweigsamkeik, die
sich von Cradocks Sorglosigkeit im drahtlosen Berkehr auffallend unter.
schied. Kein Funkspruch hatte Spee gewarnt, kein Anzeichen ihm die
Gegenwart Sturdees verraten, nie war der deutsche Admiral verlassener.