Nikolai Nikolasewitschs Pläne und Vormarsch 159
Sammlung und schied die Korps aus, die den Bundesgenossen zu Hilfe eilen
sollten. Am 15. September war das Nötige getan. Als die österreichischen
und ungarischen Streitkräfte zehn Tage später hinter dem Dunajec ein-
trafen und sich dort neu ordneten, erschienen die Spitzen Hindenburgs bereics
in Südpolen. Von diesem Augenblick an war der Feldzug im Osten auf
eine neue Grundlage gestellt. Trotzdem marschierten und fochten noch deutsche
Druppen in scheinbarem Verfolgungseifer wesllich des Rjemen und täuschten
eine große Armee vor, die sich die HLberschreitung des Stromes zwischen
Kowno und Grodno zum Ziele geseht zu haben schien. Der Lärm dieser
kriegerischen Bewegungen hallte in den russischen Grenzgouvernemenes am
NRjemen und Narew so laut wider, daß die russische Heeresleitung das
Rollen der Eisenbahnzüge überhörte, die Tag und Nacht über Thorn und
Dosen nach Süden keuchten, um den größten Teil der 8. deutschen Armee
an die Warta zu bringen. Es war hohe Zeit. Noch hielten sich einige öster-
reichische Brückenköpfe am San und die Außenstellungen von Drzemysl
gegen russische Angriffe, aber schon waren sie nur noch Juseln in der steigenden
Russenflut, die bereits gegen die Wislokalinie vorbrandete und schwere
Seitenwellen durch Südpolen wälzte und zu den Karpathenpässen empor-
sandte.
Nikolai Nikolajewitschs Hläne und Vormarsch
Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, den der Ruf Frankreichs nach Ent.
lastung und sein grimmiger Deutschenhaß zu Beginn des Krieges in das Lager
Rennenkampfs getrieben hatte, um mit der 1. Armee in die preußische Kr.
nungsstadt Königsberg einzuziehen, war am 8. September durch den Donner
der Kanonen Hindenburgs in Insterburg aufgescheucht worden und nach der
zweiten verlorenen Schlacht über Kowno nach Wilna geeilt. Hier befahl und
betrieb er die Neuordning der Armee. Oann eilte der Großfürst nach
Grodno und knetete die bei Lyck geschlagenen Flankenkorps wieder zurecht.
Die Niederlagen von Tannenberg und Angerburg verlangten Nache, und
der Rachedurst trübte dem Manne den klaren Blick. Er suchte dos Schwer.
gewicht noch im Norden zu fassen, als es schon im Süden verankert lag.
Die Erfolge, die von Rußli und Iwanow in Ostgalizien erfochten wurden,
bestärkten Nikolai Nikolajewitsch sogar in seinem Entschluß, im Norden noch
einmal anzugreifen. Er gedachte die Lage in Ostpreußen wiederherzustellen
und die wohlgeplante doppelseitige Flügeloffensive, die in Ostgalizien so
große Erfolge gezeitigt hatte, troh der schweren Schläge Hindenburgs auch
im Norden zum Siege zu führen. Die Vernichtungsschlacht bei Tannenberg
hatte zwar den Angriffsfeldzug im Norden gelähme und die russische Heeres-
leitung zerrissen, war aber zu ertragen, solange die Deutschen nicht über
Mülawa und Wloclawek auf Warschau marschierten und die Weichsellinie