16. bis 18. Dezember 1914 501
17. Dezember 1914. Nr. 596 (Abendblate).
Die Lage der Russen hat sich verschlimmert. Die Pressung von Norden
und Westen verslärkt sich, dazu hat sich Druck von Süden eingestellt, wo die
Russen heute zum mindesten das Hervortreien österreichischer Kräste aus den
Karpathenpässen mit nordwärts vorstotenden Kolonnen zugeben. Sind diese
Kolonnen auf die gestern von den Österreichern bezeichnete Linie Neu- Sandez —
Jaslo gelangt, tragen sie, wie sie heute melden, den Angriff über Bochnia am
Raba-Abschnitt und über Zakliza im Tale des Dunajec, sogar über Jaslo im Tal
der Wistoka weiter vor, so bleibt den Russen nur noch beschleunigter Rückzug
vom Dunajee über die Bialla, dessen rechten, wieder einen nordsüdlichen Abschnitt
bildenden Rebenfluß auf die Wistoka und NRzeszow Ubrig. Von Najort nach
Zakliza (Zakliczyn) haben die Osterreicher 24 Kilometer nach Osten Boden ge-
wonnen. Die Umfassung des russischen linken Flügels in Galizien zeichnet sich also
immer deutlicher ab und schiebt die russischen Massen immer sichtbarer von Osten
und Süden her zusammen, ihnen eine nordöstliche Rückzugslinie in den Strom-
winkel von Weichsel und San weisend. Dem muß die russische Heeresleitung mit
allen Kräften widerstreben, da der natürliche Weg für sie über Tarnow und Jaroslan
nach Osten führt.
Die nächsten Tage werden zeigen, ob die russische Heeresleitung noch einmal
den Entschluß und Kräfte zum Gegenstoß aus der Defensive in Galizien findet,
um sich der konzentrisch heranstrebenden VBerbündeten mit rasch ausgeteilten
Schlägen zu erwehren oder ob die Russen hier endgülrtig im Rückzug sind. Nördlich
der Oberweichsel scheint sich die Front langsam zu verschieben, was aber weniger
im Interesse der Russen als in dem der Verbündeten liegt, die nur bei Nowo-
Radomstk und Petrokow schärfer zuzupacken, bei Czenstochau aber nur fest.
zuhalten haben. An der Nordfront steht die Schlacht im Raume Lodz vor der
Desensivolinie, welche die Russen an der Miazga und westlich der Rawa eingerichtet
haben. Dagegen beginnt es jeht im Raume Low an der Bzura auf ihrem rechten
Flügel zu bröckeln. Die Russen selbst melden dort ungünstige Gefechte in der Rich.
tung auf Sochaczew, die sich so weit bestimmen lassen, daß zwar noch in dem
flachen, kaum durch ganz geringe Erdwellen bewegten Gelände westlich der Bzura
und nördlich Lowicz gekämpft wird, daß aber die Deutschen die russische Front
hier ständig zurückdrücken. Mit der Erzwingung des Dbergangs über die Bzura
bei Sochaczew müßec auch die russische Stellung bei Lowicz zusammenbrechen,
und damit wäre der Nordflügel der Russen nicht nur aus dem Halt gebrochen,
sondern auch in äußerster Gefahr, von Warschau abgeschnitten zu werden.
Deshalb die gewaltigen Anstrengungen der Russen, am Unterlauf der Bzura
und östlich Lodz standzuhalten. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber die
ganze russische Macht ist ins Wanken gekommen und kämpft in ungünstigster
strategischer Lage ums Ganze. Oie Diversion im Raume Mlawos ist als erledigt
anzusehen, neue Züge und Gegenzüge an der oflpreußischen Grenze sind nicht
ausgeschlossen.
18. Dezember 1914. Nr. 598 (Abendblate).
Oie größte Entscheidung, die dieser Krieg noch gebracht bat, ist gefallen,
gefallen entsprechend der Boraussage, die wir auf Grund der strategischen An-