die unser Vermessungswesen aufrechterhalten, an unseren
Seekarten weiterarbeiten, unsere Hochseefischerei bewachen.
Aber eine Flotte bekommen wir dadurch nicht, bestenfalls
retten wir die Uberlieferung für unsere Urenkel, hüten wir
den keimfähigen Kern, aus dem nach Menschenaltern wieder
etwas zu Deutschlands Ehre erwachsen kann. In allen drei
Lesungen wird der Gesetzentwurf über die Marinereichswehr
angenommen: man stimmt ihm zu, ohne Begeisterung, still,
gedrückt, mit der Pflichtmiene der Hoffnungelosen.
Die Angst
Weimar, 29. März
Den Fries im Theaterfoper zu Weimar entlang wälzt sich
eine Schar brauner Zünglingsleiber. „Oie Gebrüder Mock-
turtle in ihren luftakrobatischen Produktionen“ nennt der
Spötter diese genialen Aktzeichnungen Sascha Schneiders.
Was sie mit dem Theater zu tun haben, weiß man nicht recht,
und für die Nationalversammlung passen sie noch weniger.
Aber ein anderes, viel bekannteres Bild Schneiders würde
heute als Symbol am Platze sein: „Das Gefühl der Ab-
hängigkeit“. Mit schlaff herabhängenden Armen, die von
Ketten beschwert sind, steht da der Mensch einem Moloch
gegenüber, vor dem es kein Entrinnen gibt. Dieser Mensch
ist unsere heutige Regierung, wie sie leibt und lebt.
Gelegentlich rasselt Scheidemann mit den Ketten, ohne
deshalb heroisch zu wirken, und erhebt ein Gebrüll, ohne da-
durch über seine Abhängigkeit hinwegzutäuschen. Die Angst
sitzt ihm im Genick. Aus Angst weicht er Schritt um Schritt
vor dem Votum der Straße zurück. Die Sozialisierung wird
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