Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

Gewiegte schon vorher drucken und an die Presse verteilen 
lassen, so daß das Kalbfell unmittelbar losbrummen kann. 
Wie es dagegen mit dem Beten steht, das wissen wir natürlich 
nicht; das, was Exzberger- bei perlendem Wein am Abend 
des Schandfriedens in die Weimarer Sommerluft hinaus- 
sang, das war jedenfalls kein Gebet, sondern eine sehr feucht- 
fröhliche Sache. Die Steuerentwürfe, die er heute einbringt, 
nachdem er die Bedeutung seines Amtes und seiner Person 
in der Einleitung der Rede herausgestrichen hat, stammen 
nicht von ihm, sondern von seinem Vorgänger Schiffer. Oer 
kann sie daher auch nicht in Grund und Boden kritisieren, 
sondern seinem Temperament, das wohltuend von Erzbergers 
Schmalzigkeit absticht, nur in Nebendingen freien Lauf lassen. 
Zentrum und Sozialdemokratie müssen erst recht ihren Diener 
loben; und, o Wunder über Wunder, die Sozialdemokratie, 
die die indirekten Steuern des „alten Systems“ nie verrucht 
genug schildern konnte, findet heute durch den Mund des 
Abgeordneten Keil nichts an dem Plane ganz gewaltiger 
Tabak- und Zündholz- und Zurckersteuern auszusetzen. Sie 
findet die direkten Abgaben und die einmaligen Bufßen, die 
einer Vermögenskonfiskation nahekommen, natürlich erst recht 
plausibel, nachdem Erzberger ihr gesagt hat: das sei die erfolg- 
reichste Sozialisierung, wenn man den Kapitalisten das Geld 
abknöpfe. Da,s ist, alle wissen es, heute eine harte Notwendig- 
keit, aber der Zentrumeminister nennt es gar eine sittliche 
Gerechtigkeit; denn der Unterschied zwischen reich und arm 
— hier zwinkert er den roten Regierungsgenossen zu — sei 
in Deutschland schon im Frieden zu groß gewesen. Oieser 
Unterschied war aber, scheint une, nirgends so klein, als gerade 
in Oeutschland, und wenn wir erst allesamt verarmt sind, 
werden wir uns nach jenem Unterschied in der Zeit vor der 
Ara Erzberger-Scheidemann noch zurücksehnen. 
Nach seiner Gewohnheit, eine unbequeme öffentliche Pole- 
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