Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 34. Die rechtliche Stellung der Minister und die Ministerverantwortlichkeit. 103 
stets mit der Gegenzeichnung des Kriegsministers versehen werden, erstere sollen gleichfalls, 
„soweit sie gleichzeitig Bestimmungen enthalten, die auf den Militäretat von Einfluß sind, oder 
andere Zweige der Verwaltung berühren“, der Gegenzeichnung nicht entbehren, jedoch zunächst 
ohne solche der Armee bekannt gemacht werden. 
Selbstverständlicher Weise bedürfen Aufträge und Weisungen des Königs an die Mi— 
nister, auch wenn sie in schriftlicher Form erfolgen, der Gegenzeichnung nicht, da sie bloß die 
dienstlichen Beziehungen der Minister zum Könige zum Gegenstande haben und weder für 
die Behörden noch für die Unterthanen eine unmittelbare Wirkung äußern sollen. Daran wird 
auch durch den Umstand nichts geändert, daß ein derartiger Auftrag des Königs dem Publikum 
bekannt gegeben wird #). 
Nach Art. 44 genügt die Gegenzeichnung eines Ministers; üblich ist es jedoch, weil in 
der Natur der Sache liegend, daß Regierungsakte, welche in den Wirkungskreis mehrerer Mi- 
nister einschlagen, von den betreffenden Ministern gegengezeichnet werden, ebenso werden Ge- 
setze von allen Ministern gegengezeichnet. 
IV. Nach Art. 44 V. U. erfolgt die Ernennung der Minister durch den König, der in 
der Wahl völlig frei und namentlich an etwaige Wünsche des Landtags nicht gebunden ist. Die 
Ernennung der Minister ist selbstverständlich ein Regierungsakt, der der Gegenzeichnung be- 
darf. Dieselbe kann jedoch durch die neu ernannten Minister selbst erfolgen. Wie der König 
in der Entlassung der Minister nicht beschränkt ist, muß auch den Ministern das Recht zustehen, 
jeder Zeit die Entlassung zu nehmen, wenn sie glauben, den Befehlen des Königs nicht mehr 
gehorchen, d. h. für die von ihm angeordneten Maßregeln die Verantwortlichkeit nicht mehr über- 
nehmen zu können. Von den Bedingungen, von denen sonst das freiwillige Ausscheiden eines 
Beamten aus dem Amte abhängig gemacht werden kann, kann bei den Ministern mit Rücksicht 
auf die eigenartige Stellung ihres Amtes nicht gesprochen werden. 
Für diese Auffassung spricht auch der Umstand, daß § 1 des Pens.G. vom 27/3. 1872 
den aus dem Staatsdienste scheidenden Ministern einen „Anspruch auf Pension“ eingeräumt 
hat, ohne daß sie Dienstunfähigkeit nachzuweisen haben. (Vgl. § 45.) 
V. Die Minister sind für die von ihnen gegengezeichneten Regierungsakte des Königs, 
sowie für die von ihnen selbst ausgegangenen und unterzeichneten Verfügungen civilrechtlich 
und strafrechtlich ebenso verantwortlich wie jeder andere Staatsbeamte für die von ihm ausge- 
gangenen Amtshandlungen. Was ihre disciplinäre Verantwortlichkeit anlangt, so sind die 
Minister dem Monarchen als ihrem Dienstherrn gegenüber verantwortlich und können beliebig 
von ihm entlassen werden, während die disciplinarrechtlichen Vorschriften, unter denen die 
übrigen Beamten stehen, auf sie keine Anwendung finden. Daneben sollen sic aber nach Art. 61 
V. U. noch einer besonderen Verantwortlichkeit unterworfen sein, welche von der Volksvertretung 
in der Weise geltend zu machen ist, daß jede Kammer das Recht hat, die Minister wegen des 
Verbrechens der Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verrathes anzuklagen. Ueber 
solche Anklagen soll der oberste Gerichtshof der Monarchie entscheiden. Die näheren Bestimm- 
ungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und über die Strafen sind 
einem besonderen Gesetze vorbehalten worden. 
Ein solches Gesetz ist bisher nicht ergangen; sein Erlaß erscheint aber auch jetzt noch zulässig, 
obwohl durch die Reichsjustizgesetze die Gerichtsverfassung für die ordentlichen Gerichte sowohl 
wie das Strafverfahren in einer die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung ausschließenden Weise 
geregelt ist. Aus der Begründung zu § 3 des Entwurfs des Gerichtsverfassungsgesetzes (5 14 
d. Gesetzes) sowie aus den einschlägigen Verhandlungen des Reichstags ergiebt sich nämlich un- 
  
1) Wie dies z. B. bei den Allerh. Erlassen vom 17/2. 1890 und 22/10. 1891 der Fall war. 
Die Anordnungen, welche der König als summus episcopus der evangelischen Kirche erläßt, bedürfen 
natürlich der ministeriellen Gegenzeichnung nicht, da es sich dabei nicht um staatliche Regierungsakte 
handelt. (Vgll. § 136).
	        
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