Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 35. Die Provinzial= und Bezirksbehörden. 111 
Dasselbe findet statt, wenn die Vornahme der Wahl verweigert werden sollte. Die hiernach 
ernannten Mitglieder und Stellvertreter müssen den für die Wählbarkeit gesetzlich vorgeschrie- 
benen Erfordernissen entsprechen. 
Die Vereidigung der gewählten Mitglieder und ihrer Stellvertreter, sowie deren Amts- 
einführung erfolgt durch den Oberpräsidenten. Dieselben können aus Gründen, welche die 
Entfernung eines Beamten aus dem Amte rechtfertigen, im Wege des Disciplinarverfahrens 
ihrer Stellen enthoben werden. Für das Disciplinarverfahren gelten die Vorschriften des G. 
v. 21/7. 1852 mit der Maßgabe, daß die Einleitung des Verfahrens, sowie die Ernennung des 
Untersuchungskommissärs und des Vertreters der Staatsanwaltschaft durch den Minister des 
Innern erfolgt und das Plenum des Oberverwaltungsgerichts Disciplinargericht ist. L. V. G. 814. 
Der Provinzialrath ist beschlußfähig, wenn mit Einschluß des Vorsitzenden fünf Mitglieder 
anwesend sind. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt, bei Stimmengleichheit 
giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. L.V.G. § 15. Ein Regulativ für den Ge- 
schäftsgang und das Verfahren bei den Provinzialräthen ist erlassen am 28/2. 1884, abgedruckt 
bei Brauchitsch (10.) Aufl., II S. 459 ff. 
Die Zuständigkeit des Provinzialraths ist im Allgemeinen eine dreifache: a) Zustimmung 
zu den Polizeiverordnungen des Oberpräsidenten; b) Beschwerdeinstanz gegenüber den Be- 
schlüssen des Bezirksausschusses; c) Beschlußbehörde erster Instanz in einigen wenigen Ange- 
legenheiten. (Vgl. darüber Stengel, Organisation S. 434 f.) 
3. Sonstige Provinzialbehörden. Neben dem Oberpräsidenten und bezw. dem Pro- 
vinzialrath bestehen noch eine ganze Anzahl von Provinzialbehörden für besondere Verwaltungs- 
zweige, welche an anderem Orte zu besprechen sind, wie die Oberbergämter, die General= 
kommissionen und Eisenbahndirektionen. Hier sind noch folgende mit dem Oberpräsidenten in 
Verbindung stehende Provinzialbehörden zu berücksichtigen: 
A. Die Provinzialsteuerdirektionen sind bureaukratisch eingerichtete Behörden, 
an deren Spitze ein Provinzialsteuerdirektor steht und welche die gesammte Verwaltung der in- 
direkten Steuern führen. Sie sind dem Finanzminister untergeordnet und stehen zu dem Ober- 
präsidenten in demselben Verhältnisse wie die Regierungen, denen sie koordinirt sind. Die 
Provinzialsteuerdirektoren sind befugt, den Plenarsitzungen der Regierungen im Bezirke ihrer 
Verwaltung beizuwohnen, und können auch von den Regierungspräsidenten zu einzelnen Sitz- 
ungen des Plenums wie der Abtheilungen noch besonders eingeladen werden und haben dann 
Stimmrecht. 
B. Die Medizinalkollegien. In jeder Provinz besteht am Sitze des Oberpräsi- 
denten — für Brandenburg jedoch in Berlin — ein Medizinalkollegium. Diese Medizinal- 
kollegien, welche durch die V. v. 30/4. 1815 (§ 20) geschaffen wurden und am 23/10. 1817 
eine Dienstanweisung erhielten, sind rein wissenschaftliche und technisch-rathgebende Behörden 
für die Regierungen und Gerichte im Gebiete der Gesundheitspolizei und gerichtlichen Medizin. 
Eine Vollzugsgewalt besitzen sie nicht. Der jedesmalige Oberpräsident ist Präsident des Medi- 
zinalkollegiums, welches aus mindestens fünf Mitgliedern (Räthen und Beisitzern) besteht. 
C. Die Provinzialschulkollegien (und Provinzialkonsistorien). Durch die V. 
v. 30/4. 1815 § 15 wurde in jeder Provinz für die Kirchen= und Schulsachen ein Konsistorium, 
mit dem Oberpräsidenten als Vorsitzenden, errichtet, dessen Wirkungskreis die allgemeine Leit- 
ung des evangelischen Kirchenwesens in rein geistlicher und wissenschaftlicher Hinsicht und die 
Besorgung der Schulangelegenheiten umfaßte. Durch die Kab.O. v. 31/12. 1825 wurde so- 
dann das Konsistorium in zwei Abtheilungen zerlegt: a) das „Konsistorium“ für die evangelisch- 
kirchlichen Sachen; b) das „Provinzialschulkollegium“ für das Unterrichtswesen; beide unter 
dem gemeinschaftlichen Vorsitze des Oberpräsidenten. Durch § 6 der V. v. 27/6. 1845, betr. 
die Ressortverhältnisse der Provinzialbehörden für das evangelische Kirchenwesen, wurde der
	        
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