118 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. 6 35.
Vorsitzender der Regierung ist der Regierungspräsident mit allen Befugnissen, die ihm
nach den früheren gesetzlichen Vorschriften zustanden. Die früher bestandene Einrichtung, wor-
nach der Oberpräsident Präsident der am Sitze des Oberpräsidiums befindlichen Regierung und
demselben ein Vicepräsident beigegeben war, ist jetzt aufgehoben (L. V.G. § 17). Durch §# 24
L.V.G. ist ferner dem Regierungspräsidenten die Befugniß eingeräumt, Beschlüsse der Re-
gierung, mit welchen er nicht einverstanden ist, außer Kraft zu setzen und sofern er den Aufent-
halt der Sache für nachtheilig erachtet, auf seine Verantwortung anzuordnen, daß nach seiner
Ansicht entschieden werde; andernfalls ist höhere Entscheidung einzuholen. Auch ist der Re-
gierungspräsident befugt, in den zur Zuständigkeit der Regierung gehörigen Angelegenheiten
an Stelle des Kollegiums unter persönlicher Verantwortlichkeit Verfügungen zu treffen, wenn
er die Sache für eilbedürftig oder im Falle seiner Anwesenheit an Ort und Stelle eine so-
fortige Anordnung für erforderlich erachtet. Die in dieser Sache vom Regierungspräsidenten
selbstständig erlassenen Verfügungen vertreten die Stelle von Kollegialbeschlüssen, gegen welche
seitens der Betheiligten die gewöhnlichen Rechtsmittel zulässig sind.
Hinsichtlich der Stellvertretung des Regierungspräsidenten ist bereits bemerkt, daß die-
selbe auch hinsichtlich des Vorsitzes der Regierung durch den ihm zur Hülfeleistung in seinem
persönlichen Wirkungskreise beigegebenen Beamten, ev. durch einen Oberregierungsrath der Be-
zirksregierung erfolgt, soweit nicht durch die zuständigen Minister in einzelnen Fällen eine
besondere Stellvertretung angeordnet wird.
3. Der Bezirksausschuß geschaffen durch L.V.G. § 153 an Stelle des Bezirksraths
und des Bezirksverwaltungsgerichts besteht nach L. V.G. §5 28 aus dem Regierungspräsidenten
als Vorsitzenden und sechs Mitgliedern. Zwei dieser Mitglieder werden auf Lebenszeit vom
Könige ernannt. Die vier anderen Mitglieder werden vom Provinzialausschuß aus den Ein-
wohnern des Sprengels des Bezirksausschusses gewählt.
Für die vier gewählten Mitglieder wählt der Provinzialausschuß vier Stellvertreter.
Wählbar ist mit Ausnahme des Oberpräsidenten, der Regierungspräsidenten, der Vorsteher
königlicher Polizeibehörden, der Landräthe und der Beamten des Provinzialverbandes jeder zum
Provinziallandtage wählbare Angehörige des deutschen Reichs, sofern er im Sprengel des Be-
zirksausschusses wohnt. Mitglieder des Provinzialraths können nicht Mitglieder des Bezirks-
ausschusses sein.
Im Uebrigen finden auf die Wahlen, bezw. die gewählten Mitglieder die für den Pro-
vinzialrath geltenden §§ 11, 12 u. 13 L. V. G. Anwendung. Nach Art. III. G. v. 19/5.1889
bedürfen in Posen die gewählten Mitglieder des Bezirksausschusses der Bestätigung ebenso
wie die gewählten Mitglieder des Provinzialraths, nur daß die Bestätigung nicht vom Minister,
sondern vom Oberpräsidenten zu ertheilen ist.
Von den ernannten Mitgliedern muß eines zum Richteramte, eines zur Bekleidung
höherer Verwaltungsämter befähigt sein. Aus der Zahl derselben ernennt der König gleich-
zeitig den Stellvertreter des Regierungspräsidenten im Vorsitze mit dem Titel „Verwaltungs-
gerichtsdirektor“. Zur „sonstigen Stellvertretung“ des Regierungspräsidenten im Bezirksaus-
schusse und zur Stellvertretung jedes der beiden auf Lebenszeit ernannten Mitglieder ernennt
der König ferner aus der Zahl der am Sitze des Bezirksausschusses ein richterliches oder ein
höheres Verwaltungsamt bekleidenden Beamten je einen Stellvertreter auf die Dauer ihres
Hauptamtes am Sitze des Bezirksausschusses. Den ernannten Mitgliedern darf eine Vertretung
des Regierungspräsidenten oder eine Hülfeleistung in seinem persönlichen Wirkungskreise nicht
übertragen werden. Dagegen nehmen Beide an den Plenarberathungen ber Regierung Theil.
Im Uebrigen ist denselben die Führung eines Amtes nur gestattet, wenn dasselbe ein richter-
liches ist, oder ohne Vergütung geführt wird.
Den Vorsitz im Bezirksausschuß führt zunächst der Regierungspräsident; im Verhinder-
ungsfällen geht der Vorsitz auf den Verwaltungsgerichtsdirektor über. Als verhindert gilt aber