Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

837. Die Rechtspflege und die Justizverwaltung. 129 
3. Die Oberlandesgerichte, welche mit einem Präsidenten und der erforderlichen 
Anzahl von Senatspräsidenten und Räthen besetzt sind, bestehen aus Civil- und Strafsenaten. 
Die sachliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte, soweit für dieselbe nicht ausschließlich 
reichsrechtliche Vorschriften maßgebend sind, bestimmt sich nach Maßgabe der 88 49 —61 
Ausf.G. Darnach gehören zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte 1. alle Angelegenheiten, 
für welche bisher die Appellationsgerichte als Gerichte erster Instanz zuständig waren (vor- 
behaltlich der in § 29 bezüglich der Stiftungsangelegenheiten getroffenen Vorschriften). Zu 
diesen Angelegenheiten zählen namentlich die Lehens= und Familienfideikommißsachen, die 
nicht streitigen Rechtsangelegenheiten der Standesherren und der Mitglieder ihrer Familien 
u. s. w. 2. Die bisher zur Zuständigkeit des Kreisgerichts in Ratzeburg gehörenden Familien- 
fideikommißsachen. 3. Die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in den An- 
gelegenheiten, welche nach den Vorschriften des Ausführungs-Gesetzes in erster Instanz zur 
Zuständigkeit der Landgerichte gehören. 
Bezüglich des Oberlandesgerichts (Kammergerichts) in Berlin bestimmen ferner die §§ 50 
und 51 Ausf.G., daß es ausschließlich zuständig ist für die Verhandlung und Entscheidung 
und zwar nach § 50 1. über die nicht zur Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörenden Revi- 
sionen gegen Urtheile der Strafkammer in erster Instanz, 2. über die Revisionen gegen Ur- 
theile der Strafkammer in der Berufungsinstanz und über alle Beschwerden gegen Entschei- 
dungen der Strafkammer, soferne eine nach Landesrecht strafbare Handlung den Gegenstand 
der Untersuchung bildet, nach § 51 über das in § 40 (s. o.) bezeichnete weitere Rechtsmittel. 
Die den Oberlandesgerichten in den §§ 49 und 51 zugewiesenen Angelegenheiten sind 
von den Civilsenaten zu erledigen. 
Mit dem Oberlandesgerichte Berlin, das den Namen „Kammergericht“ beibehalten 
hat, ist der sog. „Geheime Justizrath“ verbunden, bei welchem die Mitglieder der königlichen 
Familie und des fürstlichen Hauses Hohenzollern ihren Gerichtsstand haben. 
Die Sitze und Bezirke der Amtsgerichte wurden auf Grund des § 21 Ausf.G. durch 
königl. Verordnungen vom 26/7. 1878 (G.S. S. 275) und 5/7. 1879 (G.S. S. 393) be- 
stimmt, die seit dem 1. Oktober 1882 nur durch Gesetz verändert werden können. 
Die Sitze und Bezirke der Landgerichte und Oberlandesgerichte wurden durch Gesetz 
bestimmt (§§ 37 und 47 Ausf.G., betr. die Errichtung der Oberlandesgerichte und Land- 
gerichte v. 4/3. 1878, G. S. S. 109). 
4. Reichsgericht. Da Preußen von der in § 8 R.G.V.G. gegebenen Ermächtigung, 
ein oberstes Landgericht zu schaffen, keinen Gebrauch gemacht hat, so bemißt sich die Zuständig- 
keit des Reichsgerichts für Preußen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten lediglich nach den in 
§ 135 R.G.V.G. enthaltenen Vorschriften. 
Außerdem ist dem Reichsgericht durch die auf Grund des G.V.G. § 15 ergangene 
kaiserl. V. v. 26/9. 1879 (R.G.Bl. S. 287) übertragen worden: 1. die Gerichtsbarkeit letzter 
Instanz, soweit dieselbe früher dem Obertribunal zustand, in denjenigen bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten, die nach den preußischen Gesetzen in erster Instanz zur Zuständigkeit der General- 
kommissionen und der die Stelle derselben vertretenden Spruchkollegien gehören oder auf 
welche das preuß. G. v. 19/5. 1851, betr. das Verfahren in den nach der Gemeinheits-Theil.-O. 
zu behandelnden Theilungen u. s. w. (G. S. S. 383) Anwendung findet; 2. die Verhandlung 
und Entscheidung über die Rechtsmittel der Revision und der Beschwerde gegen die vom 
Geh. Justizrath als Oberlandesgericht erlassenen Entscheidungen (vgl. auch §§ 18, 19 Ausf.G. 
v. 24/4. 1878). 
Bei jedem Gerichte besteht eine Staatsanwaltschaft (R.G.V.G. 8 142). Das Amt 
der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt bei den Oberlandesgerichten durch die Oberstaats- 
anwälte und bei den Landgerichten durch die Ersten Staatsanwälte, denen erforderlichen 
Falles ein oder mehrere Staatsanwälte als Gehülfen beigegeben sind, bei den Amtsgerichten 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts II, Zweite Auflage: Preußen. 9
	        
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