130 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. § 37.
durch die Amtsanwälte. Die Oberstaatsanwälte und die Staatsanwälte, welche vom Könige
ernannt werden, sind nicht richterliche Beamte (§§ 59—61 Ausf.G.). Die Amtsanwälte
werden auf Widerruf ernannt. Die Geschäfte eines Amtsanwalts können vom Justizminister
einem Staatsanwalt, einem Gerichtsassessor, sofern derselbe nicht gleichzeitig mit richterlichen
Geschäften in Strafsachen betraut wird, oder einem Referendar übertragen werden, eventuell
erfolgt die Ernennung des Amtsanwalts durch den Oberstaatsanwalt nach Anhörung des
Regierungspräsidenten. Vorsteher der Gemeindeverwaltung am Sitze des Amtsgerichts sind
verpflichtet, die Geschäfte eines Amtsanwalts zu übernehmen, sofern nicht die örtliche
Polizeiverwaltung königlichen Beamten übertragen ist. Wird von der Gemeindebehörde eine
andere geeignete Person in Vorschlag gebracht, welche zur Uebernahme dieser Geschäfte bereit
ist, so fällt die Verpflichtung des Vorstehers der Gemeindeverwaltung fort. Neben dem Vor-
steher der Gemeindeverwaltung ist auf Antrag der Gemeindebehörde eine von dieser vorge-
schlagene geeignete Person zum Stellvertreter des Amtsanwalts zu bestellen. Ueber die
Vertheilung der Geschäfte entscheidet der Vorsteher der Gemeindeverwaltung (§§ 62—65 ibid).
Die Beamten des Polizei= und Sicherheitsdienstes sind nach § 153 R.G.V.G. Hilfs-
beamte der Staatsanwaltschaft und sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen
der Staatsanwälte bei dem Landgerichte ihres Bezirks und der diesen vorgesetzten Beamten
Folge zu leisten. Die nähere Bezeichnung derjenigen Beamtenklassen, auf welche diese Be-
stimmung Anwendung findet, hat der Abs. 2 § 153 a. a. O. den Landesregierungen über-
lassen. Sie ist für Preußen erfolgt durch die gemeinschaftliche Verfügung des Justizministers
und des Ministers des Innern vom 15/9. 1879 (J. M. Bl. S. 349).
Bei jedem Gerichte wird eine Gerichtsschreiberei eingerichtet, die Geschäftseinricht-
ung wird durch die Landesjustizverwaltung bestimmt (R.G.V.G. §. 154). Das Ausführungs-
gesetz hat dann in 5 69 vorgeschrieben, daß die Dienstverhältnisse der Gerichtsschreiber durch
Gesetz, die Geschäftsverhältnisse derselben durch den Justizminister bestimmt werden. Es ist dies
geschehen bezüglich der Dienstverhältnisse durch 5§ 69—72 Ausf.G. und das G. v. 3/3. 1879
(G. S. S. 99) und bezüglich der Geschäftsverhältnisse durch die allgemeine Verfügungen des
Justizministers vom 3/8. 1879 (J. M. Bl. S. 230 und 324). Bezüglich der Gerichtsvoll-
zieher (R.G.V.G. 8§ 155, 156) kommen die §§ 73— 76 Ausf.G. und die Gerichtsvollzieher-
ordnung v. 14/7. 1879 (J. M. Bl. S. 194) zur Anwendung.
Die Rechtsanwälte bilden ein Hilfsorgan der Rechtsprechung, da ihre Aufgabe ist,
die Interessen der Parteien vor Gericht zu vertreten. Die Verhältnisse der Rechtsanwaltschaft
sind gegenwärtig reichsgesetzlich geregelt durch die Rechtsanwaltsordnung vom 1/6. 1879
(R.G.Bl. S. 177), welche auf dem Princip der sog. freien Advokatur beruht und die Gebühren-
ordnung für Rechtsanwälte v. 7/7. 1879 (R.G. Bl. S. 179). An landesrechtlichen Bestimm-
ungen kommen in Betracht: 1. die V. v. 25/6. 1879 (G. S. S. 237) betr. die Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft; 2. die allg. Vf. v. 28/6. 1879 (J. M. Bl. S. 151) betr. die Ausführung
der Rechtsanwaltsordnung; 3. die allg. Vf. v. 28/6. 1879 (J. M. Bl. S. 153) betr. die Be-
fugniß zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bei den Amtsgerichten im Geltungsbereiche der
V. v. 2/1. 1849 und in den Bezirken der Appellationsgerichte zu Kiel, Kassel und Wiesbaden
für die bei den Amtsgerichten zu verhandelnden Angelegenheiten, auf welche die deutschen Pro-
zeßordnungen nicht Anwendung finden; 4. das Ausführungsgesetz zur deutschen Gebührenord-
nung für Rechtsanwälte v. 2/2. 1880 (G. S. S. 43), welches bestimmt, daß diese Gebühren-
ordnung entsprechende Anwendung auf die Berufsthätigkeit des Rechtsanwalts findet 1. in den
vor besondere Gerichte (Gewerbegerichte u. s. w.) gehörigen Rechtssachen, auf welche die Straf-
prozeßordnung oder die Civilprozeßordnung Anwendung finden; 2. in den nach dem G. vom
15/4. 1878 betr. den Forstdiebstahl zu behandelnden Strafsachen; 3. im Disciplinarverfahren.
Außerdem finden einzelne Vorschriften der Gebührenordnung entsprechende Anwendung auf die
Berufsthätigkeit des Rechtsanwalts in denjenigen Angelegenheiten, auf welche die deutschen