Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 37. Die Rechtspflege und die Justizverwaltung. 131 
Prozeßordnungen nicht Anwendung finden, wie z. B. Angelegenheiten der freiwilligen Ge- 
richtsbarkeit. 
Das Reichsgerichtsverfassungsgesetz hat den Organismus der zur Ausübung der ordent- 
lichen Gerichtsbarkeit bestellten Gerichte in der Weise erschöpfend geregelt, daß besondere Ge- 
richte der Einzelstaaten nur insoweit bestellt werden können, als sie reichsgesetzlich zugelassen 
sind. In § 14 R.G.V.G. sind nun als besondere Gerichte zugelassen: 
1. Die auf Staatsverträgen beruhenden Rheinschifffahrts= und Elbzollgerichte. 
a) Die Rheinschifffahrtsgerichte sind geschaffen worden durch eine Uebereinkunft 
der Rheinuferstaaten vom 31/3. 1831 (G. S. S. 73), die durch die Rheinschifffahrtsakte vom 
17/10. 1868 (G.S. S. 869, S. 798) verschiedene Abänderungen erfuhr. Auf Grund dieser 
Vereinbarungen hatten sich die betheiligten Staaten zur Errichtung von Rheinschifffahrtsge- 
richten in geeigneten am Rhein oder in dessen Nähe gelegenen Orten verpflichtet. Preußen er- 
ließ zu diesem Zwecke das G. v. 9/3. 1870 (G. S. S. 179). Zur Zuständigkeit der Rhein- 
schifffahrtsgerichte gehört 1. in Strafsachen die Untersuchung und Entscheidung aller Zu- 
widerhandlungen gegen die schifffahrts= und strompolizeilichen Vorschriften; 2. in Civilsachen 
die Entscheidung im summarischen Prozeßverfahren über Klagen a) wegen Zahlung der Lotsen-, 
Krahn-, Wagen-, Hafen= und Bohlwerksgebühren und ihres Betrages; b) wegen der von Pri- 
vatpersonen vorgenommenen Hemmung des Leinpfads; c) wegen der Beschädigungen, welche 
Schiffer und Flößer während ihrer Fahrt oder beim Anlanden anderen Personen verursacht 
haben; d) wegen der den Eigenthümern der Zugpferde beim Heraufziehen der Schiffe zur Last 
gelegten Beschädigungen am Grundeigenthum. 
Bezüglich der Bestellung der Rheinschifffahrtsgerichte und des von ihnen zu beobachtenden 
Verfahrens erging das G. vom 8/3. 1879 (G. S. S. 129). Hiernach werden als Rheinschiff- 
fahrtsgerichte erster Instanz in der Nähe des Rheines belegene Amtsgerichte durch königliche 
Verordnung bestellt:!), und ihre Bezirke bestimmt. Zweite und letzte Instanz ist das Ober- 
landesgericht zu Köln. Das Verfahren ist das gewöhnliche amtsgerichtliche Civil= und Straf- 
verfahren mit der Maßgabe, daß in Strafsachen eine Zuziehung von Schhöffen nicht stattfindet. 
Bei einem Werthe des Streitgegenstandes von über 40 Mark (50 Franken) ist je nach Wahl 
des Berufungsklägers auch die Berufung an die Centralkommission für Rheinschifffahrt in 
Mannheim zulässig. 
b) Die Elbzollgerichte beruhen auf der Elbschifffahrtsakte vom 23/6. 1821 (G.. 
1822 S. 9) und der Additionalakte v. 13/4. 1844 (G.S. S. 458). Nachdem durch R.G. v. 
11/6. 1870 (B.G.Bl. S. 416) die Elbzölle aufgehoben worden und damit die Elbzollkontra- 
ventionen weggefallen sind, sind die Elbzollgerichte noch zuständig 1. in Civilsachen bei 
a) Streitigkeiten wegen Zahlung der Zoll-, Krahnen-, Wage-, Hafen-, Werft= und Schleusen- 
gebühren, soweit dieselben aus Waarenversendungen, welche nach den Grundsätzen der Elb- 
schifffahrtsakte behandelt werden, entstehen; b) Streitigkeiten über die Hemmungen des Lein- 
pfads; c) Beschädigungen, welche beim Schiffsziehen an Wiesen und Feldern oder welche durch 
Schiffer oder Flößer bei der Fahrt oder beim Anlanden verursacht werden; d) Streitigkeiten 
über den Betrag des Bergelohnes und andere Vergütigungen in Unglücksfällen; e) Streitigkeiten 
zwischen den Schiffern und ihren Leuten über den Lohn und den Umfang der Arbeit und über 
sonstige auf dem Dienstverhältnisse beruhende Forderungen; 2. in Strafsachen bei a) Ueber- 
tretungen schifffahrts= und strompolizeilicher Vorschriften durch Schiffs= oder Floßführer, deren 
Dienstleute, Passagiereoder Schiffszieher; b) Excessen, welche die zur Bemannung der Stromfahr- 
zeuge oder zum Schiffszuge gehörenden Personen gegen einander oder gegen die in Ausübung 
ihres Amtes begriffenen Elbschifffahrtspolizeibeamten begehen und welche nicht etwa einen krimi- 
nellen Charakter an sich tragen. 
  
1) Dies ist geschehen durch V. v. 1/9. 1879 (G.S. S. 609). 4
	        
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