132 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. § 37.
Die Verfassung und das Verfahren der Elbzollgerichte ist geregelt durch G. vom 9/3.
1879 (G. S. S. 132). Elbzollgerichte erster Instanz sind die Amtsgerichte, deren Bezirke von
der Elbe berührt werden, zweiter Instanz die betr. Landgerichte. In Strafsachen verhandeln
die Elbzollgerichte erster Instanz ohne Schöffen, in zweiter Instanz in der Besetzung von drei
Mitgliedern. Die Entscheidung zweiter Instanz sind endgültige. Im Uebrigen findet das ge-
wöhnliche Civil= und Strafverfahren statt.
2. Gerichte, welchen die Entscheidung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bei der Ab-
lösung von Gerechtigkeiten oder Reallasten, bei Separationen, Konsolidationen, Verkoppelungen,
gutsherrlich-bäuerlichen Auseinandersetzungen und dergleichen obliegt.
Als solche Gerichte bestehen in Preußen das Oberlandeskulturgericht und die
Generalkommissionen. (Vgl. § 116.)
3. Gemeindegerichte zur Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche, deren
Gegenstand in Geld und Geldeswerth die Summe von 60 Mark nicht übersteigt. Solche Ge-
richte bestehen in Preußen nicht. Die vorhandenen Dorfgerichte, Ortsgerichte, Feldgerichte u. .. w.
sind ausschließlich für einzelne Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig.
4. Gewerbegerichte. Vgl. § 123.
Abgesehen von den in § 14 R.G.V. G. zugelassenen besonderen Gerichten sind noch als
besondere Gerichte anerkannt, bezw. zugelassen durch § 5 E.G. z. R.G.V.G. die besonderen
Gerichte für das Verfahren gegen die Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie gegen
die Mitglieder der fürstlichen Familie Hohenzollern (vgl. §§ 17 und 17a) und durch § 7 die
Austrägalgerichte für das Verfahren gegen Standesherren (vgl. § 21) und die Militärgerichte
(vgl. § 143) 0.
III. Während die Gerichtsverfassung in der im Vorstehenden dargelegten Weise in der
Hauptsache auf reichsrechtlichen Vorschriften beruht, sind für die Justizverwaltung —
im Gegensatze zur Rechtsprechung — im Allgemeinen die Bestimmungen des Landesrechts
maßgebend. Von reichsgesetzlichen Vorschriften kommen nur einzelne in Betracht, so hat § 4
E.G. z. R.G.V.G. bestimmt, daß den ordentlichen Gerichten zwar keine Gegenstände der Ver-
waltung, wohl aber Geschäfte der Justizuerwaltung übertragen werden können, ferner § 152
R.G. V.G., durch welchen die Uebertragung einer Dienstaufsicht über die Richter an Staats-
anwälte verboten ist.
An der Spitze der Justizverwaltung steht in unmittelbarer Unterordnung unter den
König der Justizminister als dessen Organe in § 77 Ausf.G. die Vorstände der Gerichte und
der Staatsanwaltschaften bezeichnet werden. Bei Erledigung der Geschäfte der Justizverwalt-
ung können sic die Mitwirkung der ihrer Aufsicht unterstellten Beamten in Anspruch nehmen.
Nach § 78 a. a. O. steht das Recht der Aufsicht zu: 1. dem Justizminister hinsichtlich
sämmtlicher Gerichte und Staatsanwaltschaften; 2. dem Präsidenten des Oberlandesgerichts
hinsichtlich dieses Gerichts, sowie der Gerichte des Bezirks; 3. dem Präsidenten des Landge-
richts hinsichtlich dieses Gerichts, sowie der Gerichte des Bezirks; 4. dem Oberstaatsanwalt
1) Im Zusammenhang mit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist die Schiedsmannsordnung
v. 29/3. 1879 (G. S. S. 321 ff.) zu erwähnen. Die Schiedsmannsordnung dient vor Allem zur Aus-
führung des § 420 Str. Pr. O., wornach wegen Beleidigungen in der Regel die Privatklage erst zulässig
sein soll, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung zu bezeichnenden Vergleichsbehörde die
Sühne erfolglos versucht worden ist. Als diese Vergleichsbehörden sind in Preußen die Schiedsmänner
bestimmt in Anknüpfung an das schon früher für einzelne Provinzen geschaffene Institut, dessen Thätig-
keit sich übrigens nicht bloß auf den Sühneversuch bei Beleidigungen und leichten Mißhandlungen,
sondern auch auf die Sühne in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten erstreckte. Die letztere, auf welches sich,
abgesehen vom fakultativen Sühneversuch beim Amtsgerichte (C. Pr. O. § 471) und vom obligatorischen
Sühneversuch in Ehesachen (C. Pr. O. § 571 ff)., die Reichsgesetzgebung nicht bezieht, ist den Schieds-
männern gleichfalls belassen, bezw. in denjenigen Theilen der Monarchie, in welchen sie bisher nicht
bestanden, übertragen worden. Zu diesem Behufe und zur einheitlichen Regelung des Instituts erging
das G. v. 29/3. 1879. Vgl. Florschütz, die Schiedsmannsordnung v. 29/3. 1879. Berlin 1879.