837. Die Rechtspflege und die Justizverwaltung. 135
ordnungen nicht betroffenen Angelegenheiten (Ausf.G. z. G. V. G. 8 25); 3. die Vollziehung,
Beurkundung und Bestätigung von Handlungen der nicht streitigen Gerichtsbarkeit einschließ-
lich der Dispensation von Veräußerungsverboten; 4. das Verlassenschaftswesen einschließlich
der Ausstellung gerichtlicher Erbbescheinigungen (§ 26 a. a. O.); 5. die Geschäfte des Grundbuch-
amtes (§ 31 a. a. O.); 6. die Vormundschaftsangelegenheiten (§ 26 a. a. O. Vormund-sch-O.
§ 1—10); 7. die Verwaltung und Beaufsichtigung von Stiftungen, soferne nicht durch den
Justizminister das Landgericht oder Oberlandesgericht beauftragt wird (§ 29 a. a. O.).
Sovweit die freiwillige Gerichtsbarkeit nicht den Gerichten übertragen ist, sind, abgesehen
von den Personenstandsangelegenheiten die Notare!) zuständig. Eine einheitliche Gesetz-
gebung bezüglich des Notariats besitzt Preußen nicht; es sind vielmehr drei Gebiete zu unter-
scheiden: 1. das Gebiet der Notariatsordnung vom 11/7. 1845 (G.. S. 487), welche ur-
sprünglich für das Geltungsgebiet der allgemeinen Gerichtsordnung erlassen, durch G. v. 8/3.
1880 (G. S. S. 177) auf alle landrechtlichen und gemeinrechtlichen Gebietstheile des preußi-
schen Staates mit Ausnahme der Provinz Hannover und des Kreises Rinteln ausgedehnt
wurde; 2. die hannöverische Notariatsordnung vom 18/9. 1853 in Geltung in Hannover
und zufolge des G. v. 8/3. 1880 auch im Kreise Rinteln; 3. die rheinische Notariatsordnung
vom 25/4. 1822, ergänzt durch die Kab. O. v. 7/5. 1840 und die G.G. v. 22/5. 1887 und
13/4. 1888, sowie hinsichtlich der Taxen durch die V. v. 27/7. 1855 und die G.G. v. 3/5.
1858 und 11/7. 1876 in Geltung im Bezirke des Oberlandesgerichts zu Köln, also im
französisch-rechtlichen Theile der Rheinprovinz. Alle drei Notariatsordnungen sind mehr oder
minder abgeändert worden durch das G. v. 8/3. 1880, welches das ältere Notariatsrecht in
Uebereinstimmung brachte mit der neuen Gerichtsverfassung und die altpreußische Notariats-
ordnung auf die meisten übrigen Landestheile ausdehnte.
Die Notare sind Staatsbeamte und zwar zählen sie zu den nichtrichterlichen Justiz-
beamten und unterliegen den für diese maßgebenden Disciplinarvorschriften. Voraussetzung
der Anstellung ist jetzt im ganzen Staatsgebiete die Befähigung zum Richteramte (G. v. 6/5.
1869 § 1, G. S. S. 656 und § 1 G. v. 15/7. 1890, G. S. S. 229). Die Anstellung erfolgt
durch den Justizminister für einen bestimmten Bezirk unter Anweisung eines Amtssitzes. In
der Regel wird das Notariat an ältere Rechtsanwälte verliehen. Diese Verbindung von
Notariat und Rechtsanwaltschaft ist jetzt nach dem G. v. 13/4. 1888 (G.S. S. 73) auch im
Bezirke des Oberlandesgerichts zu Köln möglich. Die Dienstaufsicht über die Notare als Organe
der Justizverwaltung innerhalb ihrer Bezirke führen die Landgerichtspräsidenten, Oberlandes-
gerichtspräsidenten und in höchster Instanz der Justizminister. Gehalt beziehen die Notare
nicht; sie sind auf Gebühren angewiesen, die sie in jedem einzelnen Fall für ihre Amtshand-
lungen nach Maßgabe der Gebührenordnungen zu erheben haben.
Die Zuständigkeit der Notare umfaßt die Vornahme von Akten der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit. Früher standen sich zwei Systeme gegenüber, indem nach dem Systemc des
französischen Rechts, das den Gerichten die sog. freiwillige Gerichtsbarkeit entzogen hatte, die
Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausschließlich in die Zuständigkeit der Notare fiel, wäh-
rend nach dem gemeinrechtlich -landrechtlichen Systeme einzelne Akte der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit den ordentlichen Gerichten ausschließlich vorbehalten waren, bei anderen aber
Notare und Gerichte mit einander konkurrirten. Gegenwärtig ist der Gegensatz der beiden
Systeme mehr vermischt, indem durch die Uebertragung des Vormundschafts= und Grundbuch-
rechts auf die Rheinprovinz auch den Gerichten daselbst ein Theil der freiwilligen Gerichts-
barkeit übertragen wurde. In demselben Sinne ist ergangen das G. v. 15/7. 1890, enthaltend
Bestimmungen über das Notariat und über die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung von
Unterschriften oder Handzeichen (G. S. S. 229).
1) Siméon, die Gesetze über das Notariat und die Gebühren der Notare f. d. preuß. Monarchie,
2. Aufl., 1891.