Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

142 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. V. Kapitel. § 39. 
Insoweit die betreffenden Vorschriften lediglich in der Form der Verordnung getroffen 
sind, ist selbstverständlicher Weise die Regierung in jedem einzelnen Falle in der Lage, davon 
zu dispensiren. Sind dagegen die Vorschriften reichsrechtliche oder in der Form des Gesetzes 
erlassen, so ist eine Dispensation nicht möglich, eine im Widerspruch damit erfolgte Anstellung 
ist ungesetzlich und wird die Verantwortlichkeit des Ministers bezw. des betreffenden die An- 
stellung vornehmenden Beamten begründen (A.L.R. II, 10, § 75). Trotzdem wird eine solche 
Anstellung nicht als ungültig erachtet werden können, weil die fraglichen Vorschriften zwar 
das Ernennungsrecht der staatlichen Organe beschränken, aber eine absolute Untauglichkeit 
derjenigen Personen, die die vorgeschriebenen Bedingungen nicht erfüllt haben, nicht aus- 
sprechen wollen. Nur dann, wenn die betreffende Vorschrift den Zweck hat, gewisse Personen 
von allen oder bestimmten Aemtern auszuschließen, muß eine im Widerspruch damit geschehene 
Anstellung als ungültig betrachtet werden. Solche Vorschriften enthalten die §§ 31, 34, 36, 
319, 358 R. Str.G.B., wornach die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe, bezw. die Aberkennung 
der bürgerlichen Ehrenrechte die Unfähigkeit, öffentliche Aemter zu erlangen, zur Folge hat, 
bei Verurtheilung wegen einer in den 5§ 315—318 bezeichneten Handlungen der betreffende 
Beamte für unfähig zu einer Beschäftigung im Eisenbahn= oder Telegraphendienste oder in 
bestimmten Zweigen dieser Dienste und neben der nach Vorschrift der §§ 331, 339 bis 341, 
352—355 und 357 erkannten Geldstrafe auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffent- 
licher Aemter auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren erkannt werden kann. 
II. Ueber die Anstellung als Beamter wird in der Regel eine Bestallung vom Könige 
oder von der mit der Besetzung der Stelle beauftragten Behörde ertheilt. Da der Eintritt in den 
Staatsdienst auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrage beruht, liegt in der Bestallung oder der 
dieselbe vertretenden Verfügung die förmliche Beurkundung des Vertragsabschlusses seitens 
des Staates, während die Willenserklärung des Anzustellenden in jeder beliebigen Form er- 
klärt werden kann und namentlich auch schon darin liegt, daß sich der Betreffende die für 
einen bestimmten Beruf erforderliche Befähigung erwirbt. Die Anstellungsverfügung tritt dem 
Berufenen gegenüber erst durch die Bekanntgabe — persönliche Zustellung oder Ausschreibung 
— in Wirksamkeit, sie kann daher, solange diese Bekanntgabe nicht erfolgt ist, zurückgenommen 
werden, wie auch die Zurückweisung der Verfügung die Perfektion des Vertrages verhindert. 
Wenn es nun im Th. II, Tit. 10 § 84 A.L.R. heißt, daß Titel und Rang, welche mit 
einem Amt verbunden sind, nebst den davon abhangenden Vorrechten schon durch die darüber 
ausgefertigte Bestallung verliehen werden, so ist damit nur gesagt, daß die mit dem Amte 
verbundenen Pflichten erst mit der Amtsübernahme wirksam werden. Es kommt in dieser 
Hinsicht zu berücksichtigen, daß die Anstellungs-Entschließung rechtlich eine doppelte Bedeutung 
hat. Sie enthält einmal die Aufnahme des Berufenen in den Stand der Staatsbeamten und 
zwar in einen bestimmten Zweig des Staatsdienstes, außerdem aber die Anweisung eines 
bestimmten Amtes. Diese Anweisung ist, wenn sich die vertragsmäßige Abmachung nicht auf 
ein ganz bestimmtes Amt bezieht, eine einseitige Verfügung der Staatsregierung. 
Die Wirkung der Anstellung und der darin liegenden Amtsübertragung ist neben der 
Uebertragung der mit dem Beamtenstande, bezw. der betr. Staatsdienerstellung verbundenen 
Rechte die Uebernahme der Verpflichtung des Angestellten, die in seinem Amte begriffenen 
Rechte des Staates gewissenhaft wahrzunehmen und die Pflichten seines Amtes treu und dem 
Gesetze gemäß zu erfüllen. Zur Bestärkung der durch die Anstellung übertragenen Verpflicht- 
ungen hat der Beamte beim Amtsantritt den Staatsdienereid!#) zu leisten. Ob die An- 
stellung eine provisorische, zeitweilige oder definitive ist, ist gleichgültig; auch diejenigen Per- 
sonen, welche lediglich zum Vorbereitungsdienste angenommen werden, wie die Referendare, 
1) Harseim, Art. Diensteid in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, I, S. 265.
	        
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