Erstes Buch.
Geschichtliche Einleitung.
I. Kapitel.
Das brandenburgisch-preußische Staatswesen bis zum 18. Jahrhundert.
§ 1. Die Mark Brandenburg). Eine geschichtliche Einleitung in das geltende Staats-
recht der preußischen Monarchie kann sich darauf beschränken, mit der Zeit zu beginnen, in der
das Haus Hohenzollern die Herrschaft in der Mark Brandenburg erlangte, denn mit diesem
Zeitpunkte trat für die durch die Askanier gegründete und zu kraftvoller Entwickelung gebrachte,
unter den Markgrafen aus dem Hause Bayern (1324—1373) und aus dem Hause Luxem-
burg (1373—1415) aber in Zerrüttung und innere Auflösung gerathene Markgrafschaft ein
in jeder Hinsicht entscheidender Wendepunkt ein.
König Sigismund, welcher i. J. 1411 nach dem Tode seines mit der Mark und Kur-
würde belehnten Vetters, des Markgrafen Jobst von Mähren, den Alleinbesitz der Markgraf-
schaft erlangt hatte, ernannte im gleichen Jahre den Burggrafen Friedrich von Nürnberg zum
„obersten Hauptmann und Verweser“ mit ausgedehnten Vollmachten in der Kurmark Branden-
burg mit Einschluß der Herrschaft Sternberg. Nachdem Burggraf Friedrich den zuchtlos ge-
wordenen märkischen Adel gebändigt hatte, ertheilte ihm und dessen männlicher Nachkommen-
schaft am 30. April 1415 auf dem Konzil zu Konstanz Sigismund als Oberlehensherr mit
Einwilligung der übrigen Kurfürsten die „völlige Verleihung der Kurmark Brandenburg mit
Einschluß der kurfürstlichen Würde“. Die feierliche Belehnung erfolgte am 18. April 14172).
Kurfürst Friedrich I., der gemeinsame Stammvater des preußischen Königshauses
und der Fürsten von Hohenzollern), vermochte es mit Hilfe seiner fränkischen Vasallen, sich
in den märkischen Landen Anerkennung zu verschaffen, den Widerstand der raublustigen und
1) A. F. Riedel, die Mark Brandenburg 2 Th. 1831/32. Derselbe, Codex diplom. Branden-
burgensis 1843/69. 36 Bde. Text und 5 Register-Bde. Schulze, das Preuß. Staatsrecht, 2. Aufl.
I. Bd. S. 23—44. Bornhak, Preuß. Staatsrecht, I. Bd. S. 1—18. Bornhak, Geschichte des
preuß. Verwalt.-Rechts, Bd. 1. S. 3 ff. Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl. I. Bd.
S. 50—52. Droysen, Gesch. d. preuß. Politik, 2. Aufl. Thl. I., S. 180—282, S. 397—458.
2) A. F. Riedel, Geschichte des preuß. Königshauses, 2 Theile, Berlin 1861. In dieser Schrift
ist die Ansicht widerlegt, daß die Erwerbung der Mark durch Burggraf Friedrich auf einem Kauf= oder
Darlehensgeschäft beruht habe.
3) Ueber die Abstammung der Burggrafen von Nürnberg von den schwäbischen Zollern vol.
Schulze, Hausgesetze Bd. III, S. 541 ff.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts II, Zweite Auflage: Preußen. 1