Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

154 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. V. Kapitel. 8 43. 
nicht verlangt werden.“ Auf Grund dieses Artikels erging aber das G. v. 13/3. 1854 (G. S. 
S. 86) betr. die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Diensthandlungen, 
welches bestimmte, daß, wenn gegen einen Civil= oder Militärbeamten wegen einer in Aus- 
übung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlung oder wegen 
Unterlassung einer Amtshandlung eine gerichtliche Verfolgung im Wege des Civil= oder Straf- 
prozesses eingeleitet worden ist, der vorgesetzten Central= oder Provinzialbehörde des Beamten, 
falls sie glaubt, daß demselben eine zur gerichtlichen Verfolgung geeignete Ueber- 
schreitung seiner Amtsbefugnisse nicht zur Last fällt, die Befugniß habe, den Konflikt zu er- 
heben, welcher nach Maßgabe des G. v. 8/4. 1847 vom Kompetenzkonfliktsgerichtshofe ent- 
schieden wurde. Fand der Gerichtshof, daß dem Beamten eine zur gerichtlichen Verfolgung 
„geeignete“ Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer ihm obliegenden 
Amtshandlung nicht zur Last fiel, so entschied er, daß der Rechtsweg gegen den Beamten un- 
zulässig sei, im entgegengesetzten Falle aber, daß er zulässig sei. Hiernach hing vom Ermessen 
des Gerichtshofs ab, ob die gerichtliche Verfolgung des Beamten möglich war oder nicht. In- 
soferne konnten allerdings Zweifel erhoben werden, ob das G. v. 13/2.1854 mit dem Art. 97 
V. U. in Einklang zu bringen sei##). 
Der durch das G. v. 13/2. 1854 geschaffene Rechtszustand wurde geändert durch § 11 
E.G. z. G.V.G., welcher bestimmt: „Die landesgesetzlichen Vorschriften, durch welche die 
strafrechtliche oder civilrechtliche Verfolgung öffentlicher Beamten wegen der in Ausübung oder 
aus Veranlassung der Ausübung ihres Amtes vorgenommenen Handlungen an besondere Vor- 
aussetzungen gebunden ist, treten außer Kraft. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vor- 
schriften, durch welche die Verfolgung der Beamten entweder im Falle des Verlangens einer 
vorgesetzten Behörde oder unbedingt an die Vorentscheidung einer besonderen Behörde gebunden 
ist, mit der Maßgabe: 1. daß die Vorentscheidung auf die Feststellung beschränkt ist, ob der Be- 
amte sich eine Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer ihm obliegenden 
Amtshandlung schuldig gemacht habe; 2. daß in den Bundesstaaten, in welchen ein oberster 
Verwaltungsgerichtshof besteht, die Vorentscheidung diesem, in den anderen Bundesstaaten dem 
Reichsgerichte zusteht." 
Die Bedeutung der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Z. 1 E.G. z. G.V.G. besteht darin, daß 
die Beurtheilung, ob die gerichtliche Verfolgung eines Beamten wegen Diensthandlungen zu- 
lässig sei, aus einer Zweckmäßigkeitsfrage in eine Rechtsfrage umgewandelt und insoferne das 
G. v. 11/. 1854 seinem Wesen nach völlig verändert ist. Dagegen ist die Beantwortung der 
Frage, ob der Rechtsweg in Bezug auf Entschädigungsansprüche gegen Beamte aus Anlaß von 
Ueberschreitungen ihrer Amtsbefugnisse überhaupt zulässig ist, nach wie vor dem Landesrechte 
überlassen. 
Voraussetzung der Konfliktserhebung nach Maßgabe des G. vom 13/2. 1854 ist, daß 
gegen einen Civil= oder Militärbeamten wegen einer in Ausübung oder in Veranlassung der 
Ausübung seines Amts vorgenommenen Handlung eine gerichtliche Verfolgung im Wege des 
Civil= oder Strafprozesses eingeleitet worden ist. In diesem Falle hat die vorgesetzte Central- 
oder Provinzialbehörde, bezw. deren Plenum das Recht, den Konflikt zu erheben, wenn sie 
glaubt, daß sich der Beamte einer Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung 
einer ihm obliegenden Amtshandlung nicht schuldig gemacht hat. 
Der Konflikt findet sowohl in Civil= wie in Strafprozessen und für alle Civil= und 
Militärbeamten der Verwaltung Anwendung. Die Bestimmungen des G. v. 13/2. 1854 gelten 
auch für die im mittelbaren Staatsdienste stehenden, in kommunalen und sonstigen Selbstverwalt- 
  
1) Freilich ging die Praxis des Kompetenzgerichtshofs im Sinne der Bestimmung des Art. 97 
V. U. dahin, daß er grundsätzlich die Verfolgung eines Beamten nur dann für unzulässig erklärte, wenn 
derselbe nach Ansicht der Konflikt erhebenden Behörde seine Amtsbefugnisse nicht überschritten oder ihm 
obliegende Amtshandlungen nicht unterlassen hatte. Vgl. Nadbyl a. a. O. S. 820 Sp. 2.
	        
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