164 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. V. Kapitel. 8 45.
verliert der Beamte den mit seinem bisherigen Amte verbundenen Titel, wenn ihm die Fort-
führung desselben beim Ausscheiden aus dem Dienste nicht besonders gestattet worden ist.
II. Die Pensionirung hat zur Folge die Aufhebung der Pflicht und des Rechtes zur
Führung des übertragenen Amtes; dagegen bleiben die Standespflichten bestehen, insbesondere
die Pflicht des Beamten durch sein Verhalten der Achtung, des Ansehens und des Vertrauens
die sein Stand erfordert, sich würdig zu zeigen. Die Verletzung dieser Pflicht wird daher auch
bei pensionirten Beamten im Disciplinarwege geahndet. Außerdem ist der pensionirte Beamte,
sofern der Grund der Pensionirung wegfällt, zum Wiedereintritt in das Amt verpflichtet.
Was die vermögensrechtlichen Ansprüche der pensionirten Beamten betrifft, so wird ihnen
das volle Gehalt noch bis zum Ablaufe des Vierteljahres gezahlt, welches auf den Monat
folgt, in dem die schließliche Verfügung über erfolgte Versetzung in den Ruhestand mitgetheilt
wird (§ 24 G. v. 27/3. 1872). Von da ab beginnt der Anspruch auf Pension).
Die Pensionirung ist bei Beamten, die ihr Diensteinkommen aus der Staatskasse beziehen,
nur zulässig, wenn sie nach wenigstens 10 jähriger Dienstzeit in Folge eines körperlichen Ge-
brechens oder wegen Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte zur Führung der Amts-
geschäfte dauernd unfähig sind, oder wenn sie auch bei kürzerer Dienstzeit sich ihre Dienstun-
fähigkeit durch Krankheit, Verwundung oder sonstige Beschädigung bei Ausübung des Dienstes
oder aus Veranlassung desselben ohne eigenes Verschulden zugezogen haben. Die Dienstun-
fähigkeit ist nicht Vorbedingung bei Staatsministern, welche aus dem Staatsdienste ausscheiden
und bei Staatsdienern, die das 65. Lebensjahr vollendet haben. (§ 1 G. v. 27/3. 1872 und
Art. I Nov. v. 31/3. 1882.)2)
Sucht der dienstunfähige Beamte die Pensionirung nach, so wird sie ihm vom Könige,
bezw. der zuständigen Behörde, wenn die Ernennung zu dem zuletzt bekleideten Amte nicht vom
Könige ausgegangen ist, bewilligt, soferne er den Nachweis erbringt, daß eine der gesetzlichen
Voraussetzungen der Pensionirung bei ihm vorliegt. Beantragt der Beamte die Pensionirung
nicht, so ist zu unterscheiden, ob es sich um einen richterlichen oder nicht-richterlichen Beamten
handelt. Richter können nach § 8 R.G.V.G. nur aus den Gründen und in den Formen, welche
die Gesetze bestimmen, in den Ruhestand versetzt werden. Beantragt ein Richter seine Pensio-
nirung nicht, obwohl ein Grund hierzu vorliegt, so erfolgt entweder von Amtswegen oder auf
Antrag der Staatsanwaltschaft zunächst eine Aufforderung hierzu (§8 58, 59 G. v. 7/5.1851).
Bleibt dieselbe unbeachtet, so wird ein förmliches prozessuales Verfahren eingeleitet, für welches
das Disciplinargericht zuständig ist (§ 60 a. a. O.). In diesem Verfahren müssen die That-
sachen erörtert und festgestellt werden, durch welche die Versetzung in den Ruhestand begründet
werden soll. Am Schlusse ist der betheiligte Richter zu vernehmen (§ 61 a. a. O.). Hierauf
hat das Gericht nach Anhörung der Staatsanwaltschaft darüber Beschluß zu fassen, ob der
Fall der Versetzung in den Ruhestand vorliege (§ 62 a. a. O.). Gegen diesen Beschluß findet
kein Rechtsmittel statt. Bejaht das Gericht die Nothwendigkeit der Pensionirung, so wird der
Beschluß dem Justizminister übersendet, der das Weitere zu veranlassen hat. Selbstverständlich
findet auch in diesem Falle die Versetzung in den Ruhestand nur unter Gewährung der gesetz-
lichen Pension statt (§8 63, 64 a. a. O.).
Nicht-richterlichen Beamten oder deren nöthigenfalls zu bestellenden Kuratoren wird von
der vorgesetzten Dienstbehörde unter Angabe des zu gewährenden Pensionsbetrages und der
1) Das Pensionsrecht der unmittelbaren Staatsbeamten, sowie der Lehrer und Beamten an den
höheren Unterrichtsanstalten mit Ausschluß der Universitäten ist gegenwärtig geregelt durch das G. v.
27/3. 1872 (G.S. S. 268) und die dazu ergangenen Novellen v. 31/3. 1882 (G. S. S. 133) und
30/4. 1884 (G. S. S. 126).
2) Bornhak a. a. O. S. 93 will diese Bestimmung dahin auslegen, daß die betreffenden
Beamten nicht etwa den Anspruch haben, jeden Augenblick die Pensionirung zu verlangen, sondern der
Staat nur ein Recht hat, jederzeit eine Pensionirung anzuordnen. Diese Auslegung steht aber in
direktem Widerspruch mit der Fassung des Gesetzes, welches von einem „Anspruche auf Pension“ spricht.