8 47. Das Gesetz und die Gesetzgebung. 169
einem derartigen Gesetze nichts weiter liegt, als eine in keiner Weise ausgeschlossene Ver—
fassungsänderung. Selbstverständlicher Weise muß ein, eine solche Delegation enthaltendes
Gesetz unter Beobachtung der in Art. 107 V. U. für Verfassungsänderungen gegebenen Vor—
schriften erlassen sein 1). Noch weniger besteht irgend ein Bedenken, aus einer Materie, die
durch einfaches Gesetz geregelt werden muß, einen Gegenstand der Regelung durch Verordnung
zu überweisen, wie dies im § 25 hann. Kr. O. bezüglich des Instituts der Amtsvorsteher ge-
schehen ist.
II. Was das Zustandekommen der Gesetze anlangt, so bestimmt der bereits erwähnte
Art. 62 V. U., daß die gesetzgebende Gewalt durch den König und durch die beiden Häuser
des Landtags gemeinschaftlich und zwar derart ausgeübt wird, daß die Uebereinstimmung des
Königs und beider Häuser zu jedem Gesetze erforderlich ist. Daß das Gesetzgebungsrecht
selbst, also die Befugniß, eine für die Unterthanen verbindliche Anordnung zu erlassen, dem
Könige allein zusteht, ist bereits früher dargelegt worden (6 11). Bei der Ausübung dieses
Rechts ist aber der König gebunden an die vorherige Zustimmung der Volksvertretung, die sich
nicht bloß auf den Gesetzesinhalt, sondern auch auf den sog. Gesetzesbefehl, d. h. den die An-
ordnung zum Gesetze machenden Befehl erstreckt.
Die Gesetzes-Initiative steht nach Art. 64 Abs. 1 V. U. sowohl dem Könige, wie jedem
der beiden Häuser des Landtags zu. Dieses Recht, Gesetze vorzuschlagen, ist auch für die beiden
Häuser des Landtags ein unbeschränktes, namentlich läßt sich aus Art. 62 Abs. 3 V. U., wor-
nach Finanzgesetzentwürfe und Staatshaushaltsetats zuerst dem Abgeordnetenhause vorzulegen
sind, eine Beschränkung der Initiative des Herrenhauses nicht ableiten, da diese Bestimmung
nur den Fall im Auge hat, daß die Vorlage von der Regierung ausgeht. Dagegen enthält
Art. 64 Abs. 2 V. U. nach einer anderen Richtung eine Beschränkung insoferne, als Gesetzesvor-
schläge, welche durch eine der Kammern oder den König verworfen worden sind, in derselben
Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht werden können.
Geht der Gesetzesvorschlag von der Regierung aus, so steht es ihr frei zu wählen, welchem
Hause sie die Vorlage zuerst vorlegen will, nur Finanzgesetzentwürfe und Staatshaushalts-
etats muß sie zuerst dem Abgeordnetenhause vorlegen?.
Die Gesetzentwürfe werden in den beiden Häusern nach Maßgabe der Geschäftsord-
nungen behandelt, wobei bezüglich der Staatshaushaltsetats die Vorschrift in Art 62 Abs. 3 V. U.
zu beachten ist, daß dieselben vom Herrenhause nur im Ganzen abgelehnt oder angenommen
werden können. Zur Annahme eines Gesetzentwurfes genügt die Mehrheit eines jeden in be-
schlußfähiger Anzahl versammelten Hauses (Art. 80 V. U.). Bei Gesetzen, welche die Verfass-
ung abändern, ist jedoch in jedem der beiden Häuser die gewöhnliche absolute Stimmenmehr-
heit bei zwei Abstimmungen erforderlich, zwischen welchen ein Zeitraum von wenigstens 21 Tagen
liegen muß (Art. 109 V. U.).
Ist die Uebereinstimmung der beiden Häuser des Landtags über einen Gesetzentwurf er-
zielt, so ist die Zustimmung der Volksvertretung vorhanden, welche die nothwendige Voraus-
setzung für den Erlaß des Gesetzes durch den König ist. Ob der König den übereinstimmenden
Beschluß des Landtags durch seine Sanktion zum Gesetze machen will, hängt lediglich von
ihm ab und zwar auch dann, wenn der Vorschlag von ihm selbst ausgegangen und die Vorlage
im Landtage unverändert angenommen worden ist.
1) Die Frage wurde lebhaft erörtert aus Anlaß des G. v. 7/5. 1853, das den König ermäch-
tigte, die Bildung der Ersten Kammer durch Verordnung zu regeln, die nur durch ein mit Zustimmung
der Kammern zu erlassendes Gesetz abgeändert werden kann. Vgl. Rönne, das Staatsrecht der preuß.
Monarchie, 4. Aufl., I, S. 205 N. 7; G. Meyer, Deutsches Staatsrecht, 2. Aufl. § 98.
2) Bestritten ist, ob die Staatsregierung befugt ist, einen Gesetzentwurf gleichzeitig beiden
Häusern vorzulegen. Man wird sich mit Bornhak a. a. O. S. 497 für die Bejahung der Frage
entscheiden müssen, da die Verfassungsurkunde, abgesehen vom Falle des Art. 62 Abs. 3 ein Verbot der
gleichzeitigen Vorlegung nicht enthält.