Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 51. Polizei und Staatspflege. 181 
Gegenwärtig wird daher die umfassende Verwaltungsthätigkeit, die früher als Polizei 
bezeichnet wurde, unter dem Ausdrucke „innere Verwaltung“ begriffen, die ihrerseits wieder 
als „Polizei“ oder „Staatspflege“ erscheint, je nachdem die Organe der inneren Verwaltung bei 
Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben die freie Bewegung der Unterthanen zu beschränken, 
also Zwang anzuwenden befugt sind oder nicht. Das Merkmal des Zwanges ist aber für sich 
nicht geeignet, die polizeiliche Thätigkeit hinreichend zu kennzeichnen, weil die staatliche Zwangs- 
gewalt auch auf anderen Gebieten, wie namentlich der Finanzverwaltung, Militärverwaltung 
und Rechtspflege sich entfaltet. Der Begriff der Polizei erhält vielmehr seine scharfe Abgrenz- 
ung erst dadurch, daß die Polizei als abwehrende, der Sicherheit und Wohlfahrt drohende Ge- 
fahren vorbeugende Thätigkeit erscheint. Polizei ist darnach diejenige Thätigkeit der (inneren) 
Verwaltung, die die Abwehr der der Sicherheit und Wohlfahrt der Gesammtheit wie der ein- 
zelnen Unterthanen drohenden (allgemeinen) Gefahren mittels Beschränkung der freien Bewegung 
der Unterthanen, also durch Zwang zum Gegenstande hat. Da Zwang nur gegen Menschen 
angewandt werden kann, so erscheint die auf Abwehr der durch Naturereignisse drohenden Ge- 
fahren nur insoferne als polizeiliche, als, was ja sehr häufig der Fall ist, zum Zwecke dieser 
Abwehr die Freiheit bestimmter Personen beschränkt werden muß, z. B. bei wasserpolizeilichen 
Maßregeln der Uferbesitzer. Abgesehen hiervon liegt lediglich pflegliche Thätigkeit vor. 
Eine polizeiliche Thätigkeit in dem angegebenen Sinne tritt in allen Zweigen des Ge- 
sammtgebiets der inneren Verwaltung neben der pfleglichen zu Tage (Gesundheitspflege und 
Gesundheitspolizei, Volkswirthschaftspflege und Volkswirthschaftspolizei u. s. w.) und zwar 
in der Weise, daß die polizeiliche Thätigkeit nur die eine — negative — Seite der betreffenden 
Verwaltungszweige und eine gesonderte Darstellung der polizeilichen Thätigkeit nicht durchführ- 
bar oder doch sehr unzweckmäßig ist. Insoweit jedoch Handlungen oder Unterlassungen nicht 
bestimmte Lebensverhältnisse (die Gesundheit, den Verkehr, den Kredit, die Bildung u. s. w.), 
sondern die Sicherheit, d. h. die Unverletzlichkeit der öffentlichen und privaten Rechtsordnung 
bedrohen, erscheint die Polizei in der Form der sog. Sicherheitspolizei als ein selbstständiger, 
abgesonderter Verwaltungszweig, der seine eigene Darstellung fordert. Da nun die Verletzung 
der öffentlichen wie privaten Rechtsordnung, soweit sie für die Polizei in Betracht kommt, ledig- 
lich durch strafbare Handlungen erfolgen kann, so erscheint die Sicherheitspolizei als die Ab- 
wehr derjenigen Gefahren, die der öffentlichen und privaten Rechtsordnung aus strafbaren Hand- 
lungen drohen. Je nachdem es sich um den Schutz der öffentlichen oder privaten Rechtsord- 
nung handelt, spricht man von höherer oder niederer, bezw. Einzelsicherheitspolizei, 
ein Unterschied, der namentlich hinsichtlich der Zuständigkeit der Behörden von Belang ist. 
III. Anlangend den Begriff der Polizei nach preußischem Rechtes), so ist vor 
Allem darauf hinzuweisen, daß hier wie in anderen Ländern noch häufig auch im amtlichen 
Sprachgebrauch der Ausdruck Polizei für innere Verwaltung angewendet wird und in Folge 
dessen die Behörden der inneren Verwaltung als Polizeibehörden bezeichnet werden. Ferner ist zu 
beachten, daß vielfach die Verwaltungsbehörden in ihrer Eigenschaft als Polizeibehörden da 
einzutreten haben, wo obrigkeitlicher Zwang ausgeübt wird, z. B. haben sie als Hilfsorgane 
der Gerichte den zwangsweisen Vollzug gerichtlicher Anordnungen vorzunehmen oder zu unter- 
stützen; auch in diesen Fällen wird von „polizeilicher Thätigkeit“ gesprochen. Endlich spricht 
man nicht selten von Polizei, wo die Verwaltungsbehörden lediglich eine für die Einzelnen 
sorgende, dieselben schützende, also pflegliche Thätigkeit entfalten, wie z. B. wenn die Behörde 
für die Aufbewahrung gefundener Sachen und die Ermittelung der Eigenthümer derselben sorgt, 
eine hilflose Person unterbringt u. dergl. 
Gegenüber diesem vieldeutigen und unbestimmten Sprachgebrauche auf Grund dessen 
z. B. in der V. vom 26/12. 1808 § 3 die Bezirksregierungen als Landespolizeibehörden be- 
  
1) Rosin, Polizeiverordnungsrecht S. 73 ff. — Stengel, die Organisation u. s. w. S. 453 ff.
	        
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