192 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. § 53.
III. Gegenstand und Inhalt der Polizeiverordnungen. Im Gegensatze zum
Reichsrechte und dem Rechte der süddeutschen Staaten kennt das preuß. Recht das System der
speziellen Delegationen nicht. Vielmehr gilt der Grundsatz, daß die Polizei-Behörden zum Er-
lasse von Polizeiverordnungen insoweit ermächtigt sind, als der Umfang der ihnen übertragenen
Polizeigewalt reicht. Hiernach ist zur Abgrenzung der Kompetenz der Polizeibehörden zum Er-
lasse von Polizeiverordnungen im Einzelnen festzustellen, was nach preuß. Rechte unter „Poli-
zei“ verstanden wird. In dieser Hinsicht kann hier auf die Ausführungen in § 51 verwiesen
werden.
Danach kann eine Polizeistrafverordnung nur die Erhaltung deröffentlichen Ruhe,
Sicherheit und Ordnung oder Abwendung der dem Publikum oder einzelnen
Mitgliedern desselben drohenden Gefahren zum Gegenstande haben. Polizei-Straf-
verordnungen, welche lediglich die Förderung der Wohlfahrt bezwecken, sind unzulässig, und es
darf insbesondere auch der Ausdruck „Erhaltung der öffentlichen Ordnung“ nicht so aufgefaßt
werden, daß darunter Alles begriffen wird, „was die Interessen des öffentlichen Wohls angeht.“
Vielmehr ist dieser Ausdruck, wie schon die Zusammenstellung mit „Ruhe“ und „Sicherheit"
ergiebt, in dem viel engeren, gewöhnlichen Sinne zu verstehen.
Was speziell den Begriff der „Sicherheitspolizei“ anlangt, welcher in § 143 L.V.G.
gebraucht wird, so ist unter Sicherheit hier die „öffentliche Sicherheit“, d. h. derjenige Zustand
zu verstehen, in welchem die in einem Gemeinwesen bestehende Rechtsordnung vor widerrecht-
lichen Angriffen geschützt ist. Aufgabe der Sicherheits= (oder Rechts-) Polizei ist demnach die
Abwehr von rechtswidrigen Angriffen Einzelner oder einer Vereinigung Einzelner auf dieselbe.
Der Sicherheitspolizei setzt man gewöhnlich die „Verwaltungspolizei“ gegenüber, d. h. die-
jenige polizeiliche Thätigkeit, welche sich an die einzelnen, dem Schutze und der Förderung der
verschiedenen materiellen Interessen dienenden Verwaltungszweige anschließt. Eine Abtheilung
der Verwaltungspolizei ist die in § 7 des G. v. 11/3. 1850 erwähnte „landwirthschaftliche
Polizei“, welche sich auf den Schutz und die Förderung des landwirthschaftlichen Betriebes
beziehen. Die Sicherheitspolizei selbst zerfällt wieder in die öffentliche und die Privatsicher-
heitspolizei, je nachdem sie sich auf die öffentliche Rechtsordnung und deren Grundlagen, oder
den Rechtszustand und den Schutz der Rechtsgüter der einzelnen Privatpersonen bezieht.
Der Umfang der Zuständigkeit der einzelnen Polizeibehörden zum Erlasse von Polizei-
Strafverordnungen bemißt sich nach ihrer polizeilichen Kompetenz überhaupt.
Von Bedeutung ist in dieser Hinsicht der Gegensatz von Ortspolizei und Landespolizei.
Die Ortspolizei ist derjenige Zweig polizeilicher Thätigkeit, welcher die Gemeininteressen der
örtlichen Gemeinschaften im Staate zu befriedigen bezweckt, während die Landespolizei auf die
Erhaltung der Ruhe u. s. w. im Staate über diese örtliche Beschränkung hinaus gerichtet ist.
In diesem Sinne umfaßt der Ausdruck Landespolizei auch die Kreis-, Bezirks- und Provinzial-
polizei (vgl. z. B. § 143 L.V. G.).
In § 6 des G. v. 11/33. 1850 sind die Gegenstände der ortspolizeilichen Vorschriften
allerdings nur exemplifikativ aufgeführt. Aus der Aufzählung läßt sich aber entnehmen, daß
Gegenstände der Ortspolizei alle diejenigen sind, durch deren Regelung die besonderen auf dem
nachbarlichen Zusammenwohnen, sowie der nachbarlichen Lage der Grundstücke beruhenden ört-
lichen Gemeininteressen befriedigt werden sollen.
Der Erlaß der Polizei-Strafverordnungen über Gegenstände der Ortspolizei ist natür-
lich Sache der Ortspolizeibehörden, aber es können auch die Landespolizeibehörden in die Lage
kommen, derartige Verordnungen zu erlassen, nur müssen sich diese Verordnungen über mehr
als einen Ortspolizeibezirk in ihrer Wirksamkeit erstrecken.
Was sodann den Inhalt der Polizei-Strafverordnungen anlangt, so besteht derselbe
a) im Gebote oder Verbote bestimmter Handlungen aus polizeilichen Gründen; b) in der An-