§ 55. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit. 205
§ 142 Abs. 4 R.G., betr. die Unfall= und Krankenversicherung der in land= und forstwirth-
schaftlichen Betrieben beschäftigten Personen vom 5/5. 1886 (R.G.Bl. S. 132) im Verwal-
tungsstreitverfahren zu entscheidenden Streitigkeiten der Entscheidung des Bezirksausschusses
vorbehaltlich der Revision an das Oberverwaltungsgericht überwies; c) durch die V. v. 23/3.
1888 (G. S. S. 73), welche eine gleiche Bestimmung hinsichtlich der nach § 8 Abs. 1 und 2
R.G., betr. die Unfallversicherung der bei Bauten beschäftigten Personen vom 11/7. 1887
(R.G. Bl. S. 287), sowie die nach § 12 Abs. 2 R.G., betr. die Unfallversicherung der See-
leute u. s. w., vom 13/7. 1887 (R.G.Bl. S. 329) im Verwaltungsstreitverfahren zu entschei-
denden Streitigkeiten traf; d) die V. v. 28/5. 1890 (G. S. S. 181), welche bestimmt, daß die
nach § 12 Abs. 2 und 3 R.G., betr. die Invaliditäts= und Altersversicherung, vom 22/6. 1880
im Verwaltungsstreitverfahren zu entscheidenden Streitigkeiten der Entscheidung des Bezirks-
ausschusses unterliegen. Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses ist nur das Rechts-
mittel der Revision zulässig.
Bis zum Erlasse des Einkommensteuer-Gesetzes vom 24/6. 1891 und des Gewerbe-
steuer-Gesetzes vom gleichen Tage erstreckte sich die Zuständigkeit der preußischen Verwaltungs-
gerichte nur auf Angelegenheiten, welche dem Gebiete der Verwaltung des Innern angehören,
während öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiete der Finanzverwaltung, namentlich
über die Verpflichtung zur Entrichtung öffentlicher Abgaben nicht vor die Verwaltungsgerichte ge-
bracht werden konnten. Die in dieser Hinsicht bestehende Lücke war theilweise dadurch ausge-
üllt, daß nach §9 G. v. 24/5. 1861, betr. die Erweiterung des Rechtswegs wegen allge-
meiner Anlagen und Abgaben auf Grund der Behauptung, daß die einzelne Forderung bereits
früher getilgt oder verjährt sei, die Klage auf Erstattung des Gezahlten angestellt werden kann
und daß nach § 10 a. a. O. der Rechtsweg auch darüber stattfindet, wenn der Herangezogene
behauptet, daß die geforderte Abgabe keine öffentliche Abgabe sei, sondern auf einem aufge-
hobenen privatrechtlichen Fundamente, insbesondere einem früheren gutsherrlichen, schutzherr-
lichen oder grundherrlichen Verhältnisse beruhe. Ebenso ist nach §§ 11—14 a. a. O. bezw.
§ 40 Abs. 1 Erbschaftssteuergesetzes vom 30/5. 1873 bezüglich der Stempelsteuer und der
Erbschaftssteuer der Rechtsweg zulässig. Durch diese Vorschriften ist sonach die Entscheidung
einer Anzahl von Streitigkeiten, welche unzweifelhaft öffentlich-rechtlicher Natur sind, den Civil-
gerichten überwiesen. Inzwischen haben jedoch das Einkommensteuergesetz vom 24/6. 1891
(G. S. S. 175 ff.) und das Gewerbesteuergesetz v. 24/6. 1891 (G. S. S. 205 ff.) die Zu-
ständigkeit der Verwaltungsgerichte in dieser Richtung ausgedehnt.
Nach §§ 44— 49 des Einkommensteuergesetzes steht nämlich gegen die Ent-
scheidung der Berufungskommission (§ 41) über die Steuerveranlagung sowohl dem Steuer-
pflichtigen, als auch dem Vorsitzenden der Berufungskommission die Beschwerde an das Ober-
verwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist binnen einer Ausschlußfrist von 4 Wochen seitens
des Vorsitzenden der Berufungskommission bei dem Oberverwaltungsgerichte seitens der Steuer-
pflichtigen bei dem Vorsitzenden der Berufungskommission anzubringen und kann nur darauf
gestützt werden, 1. daß die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder auf der
unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts, insbesondere auch der von den Behörden inner-
halb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe, 2. daß das Verfahren an wesent-
lichen Mängeln leide. In der Beschwerde ist anzugeben, worin die behauptete Nichtanwendung
oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts oder worin die behaupteten Mängel des
Verfahrens gefunden werden. Der Vorsitzende der Berufungskommission überweist die bei
ihm eingegangene Beschwerde des Steuerpflichtigen mit seiner Gegenerklärung dem Oberver-
waltungsgerichte. Die Beschwerde des Vorsitzenden der Berufungskommission wird dem
Steuerpflichtigen zur schriftlichen Gegenerklärung innerhalb einer bestimmten, von einer bis
zu vier Wochen zu bemessenden Frist zugefertigt. Das Oberverwaltungsgericht erläßt seine
Entscheidungen in nicht öffentlicher Sitzung der Regel nach ohne vorherige mündliche Anhör-