Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 55. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit. 209 
schäftsgang und die Vertheilung der Geschäfte unter die Senate nicht im Gesetze selbst geregelt 
ist, erfolgt die Ordnung durch ein Regulativ, welches das Plenum des Oberverwaltungsge- 
richts zu entwerfen und dem Staatsministerium einzureichen hat (V. G.G. § 30). Auf Grund 
dieser gesetzlichen Vorschrift ist ein am 2/4. 1878 bestätigtes Regulativ vom 30/1. 1878 er- 
gangen. (Abgedruckt mit den Nachträgen v. 22/99. 1881 und 3/12. 1884 bei Brauchitsch, 
10. Aufl., I. S. 448 ff.) 
Was die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen anlangt, so 
finden nach L.V.G. § 61 Abs. 1 die einschlägigen Vorschriften der bürgerlichen Prozeßgesetze 
Anwendung. Für die Ausschließung eines Mitglieds eines Verwaltungsgerichts ist sonach 
maßgebend der § 41 C. Pr.O.; für die Ablehnung der § 42 C. Pr. O. Zu bemerken ist dabei, 
daß nach § 61 Abs. 2 L.V.G. aus der innerhalb seiner Zuständigkeit geübten amtlichen Thätig- 
keit des Landraths, bezw. des Regierungspräsidenten kein Grund zur Ablehnung derselben 
wegen Besorgniß der Befangenheit entnommen werden darf. 
Bezüglich der Ausschließung bezw. Ablehnung des zu den Verhandlungen der Verwalt- 
ungsgerichte nach L.V.G. 8 75 zuzuziehenden Protokollführers kommt der für den Gerichts- 
schreiber geltende § 49 C. Pr. O. analog zur Anwendung. 
Für das auf Grund eines Ablehnungsgesuchs einzuleitende Verfahren ist § 62 L.V.G. 
maßgebend. Darnach beschließt über das Ablehnungsgesuch das Gericht, welchem der Abge- 
lehnte angehört und wenn der Vorsitzende des Kreis-(Stadt)-Ausschusses oder Bezirksausschusses 
abgelehnt wird, das nächsthöhere Gericht. Wird das Gesuch für begründet erachtet, so ist der 
Beschluß endgiltig. Gegen einen das Gesuch zurückweisenden Beschluß hat die zurückgewiesene 
Partei innerhalb zweier Wochen die Beschwerde an das im Instanzenzuge nächsthöhere Gericht, 
welches in nicht-öffentlicher Sitzung endgiltig entscheidet. Mit der Ausschließung bezw. Ab- 
lehnung der Gerichtsperson verwandt sind diejenigen Fälle, in denen bei einer Angelegenheit, 
welche zur Zuständigkeit des Kreis-(Stadt)-Ausschusses gehört, die betreff. Kreiskorporation 
(Stadtgemeinde) als solche mit einem fiskalischen Interesse betheiligt ist; in einem solchen Falle 
wird nach L. V. G. § 59 vom Bezirksausschuß, und wenn ein Stadtkreis betheiligt ist, vom 
Oberverwaltungsgericht ein anderer Kreis= oder Stadtausschuß mit der Entscheidung beauftragt. 
IV. Das Verwaltungsstreitverfahren. A. Allgemeine Grundsätze. a) Die 
Maximen des Verfahrens. Es ist im Allgemeinen nicht ganz zweifellos, ob dem Ver- 
waltungsgerichtsprozesse die Untersuchungsmaxime oder die Verhandlungsmaxime zu Grunde 
liegt, das preußische Streitverfahren ist aber auf dem Prinzipe der allgemeinen Gerichtsord- 
nung aufgebaut (Kommiss.-Ber. d. H. H. zum Entw. d. V.G.G., Drucks. Nr. 107) ist daher 
dem Civilprozesse nachgebildet und zeigt eine Mischung von Elementen beider Maximen, indem 
im Ganzen und Großen die Verhandlungsmaxime vorwiegt. 
Aus dem Grundsatze der Verhandlungsmaxime ergeben sich namentlich drei Fol- 
gerungen: 1. Die Verwaltungsgerichte werden nur auf Antrag thätig und die ergehenden 
Entscheidungen dürfen nur die zum Streitverfahren vorgeladenen Parteien und die in dem- 
selben erhobenen Ansprüche betreffen (L.V.G. §§ 63, 79). 2. Wenn eine Partei binnen der 
hierfür bestimmten Frist oder in der dazu bestimmten Verhandlung nicht thätig geworden ist, 
ist sie wie im Civilverfahren mit der versäumten Handlung ausgeschlossen. Jedoch ist zu be- 
merken, daß nach L.V.G. § 79 das Gericht beim Ausbleiben einer Partei oder in Ermange- 
lung einer Erklärung derselben die von der Gegenpartei vorgebrachten Thatsachen zwar für 
zugestanden erachten kann, aber nicht erachten muß. Dem erwähnten Grundsatze entsprechend 
sind auch alle Fristen im Verwaltungsstreitverfahren präklusivisch. Wiedereinsetzung in den 
vorigen Stand kann zwar gewährt werden, aber nur aus den im Gesetze selbst hervor- 
gehobenen Gründen (Verhinderung durch Naturereignisse oder andere unabweisbare Zufälle), 
während im Beschwerdeverfahren die Behörde bei unverschuldeter Fristversäumung nach ihrem 
Ermessen Wiedereinsetzung gewähren kann (L.V.G. §§ 52 und 112). 3. Die Beweiserhebung 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts II, Zweite Auflage: Preußen.
	        
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