210 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 55.
findet zwar von Amts wegen statt, geführt wird aber der Beweis von den Parteien, welche
daher in der mündlichen Verhandlung die sämmtlichen Beweismittel anzugeben bezw. vorzu-
legen haben (L.V.G. 8S§ 71, 76, 77).
Während im sog. Beschlußverfahren die Behörden ihre Beschlüsse auf Grund der ver-
handelten Akten fassen, wenn nicht das Gesetz ausdrücklich mündliche Verhandlung vorschreibt,
gilt im Verwaltungsstreitverfahren wie im Civil= und Strafverfahren der Grundsatz der
Mündlichkeit und Oeffentlichkeit der Verhandlungen; (letztere kann jedoch durch Ge-
richtsbeschluß ausgeschlossen werden). L. V.G. 8§ 72. Von diesem Grundsatze sind jedoch zwei
Ausnahmen zugelassen: 1. Wenn der in der Klage erhobene Anspruch sich sofort als begründet
oder unbegründet darstellt, kann die Klage ohne weiteres Verfahren zugesprochen bezw. abge-
wiesen werden. Dasselbe trifft bei der Berufung zu (8§§ 64, 89). 2. Die Parteien können
auf die mündliche Verhandlung verzichten, entweder ausdrücklich (L.V. G. § 80) oder in der
Weise, daß weder Kläger noch Beklagter die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ver-
langt haben (L.V.G. 8 64). Bezüglich der Gewerbestreitigkeiten vgl. § 21 R.Gew.O., durch
welchen die Anwendung der §8 64, 80, 89 L.V.G. in diesen Streitigkeiten ausgeschlossen ist.
b) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte.
Was die örtliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte anlangt, so ist nach § 57 L.V.G.
zuständig in erster Instanz: 1) in Angelegenheiten, welche sich auf Grundstücke beziehen, das
Gericht der belegenen Sache; 2. in allen sonstigen Fällen das Gericht desjenigen Bezirks
(Kreis, Regierungsbezirk, Provinz), in welchem die Person wohnt, oder die Korporation bezw.
öffentliche Behörde ihren Sitz hat, welche im Verwaltungsstreitverfahren in Anspruch ge-
nommen wird. Wenn die Korporation oder öffentliche Behörde ihren Sitz außerhalb ihres
räumlichen Bezirkes hat, ist diejenige Behörde zuständig, welcher dieser Bezirk angehört. Be-
züglich des Kommunalverbandes der Provinz Brandenburg ist der Bezirksausschuß zu Pots-
dam zuständig.
Sind die Grundstücke in mehreren Bezirken gelegen, oder ist es zweifelhaft, zu welchem
Bezirke sie gehören, so wird das zuständige Gericht durch den Bezirksausschuß und wenn die
Grundstücke in verschiedenen Bezirken liegen, durch das Oberverwaltungsgericht endgiltig be-
stimmt. Dasselbe findet statt, wenn die Personen oder Korporationen, deren Angelegenheit
den Gegenstand der Entscheidung bildet, in mehreren Bezirken wohnen oder ihren Sitz haben
(L.V.G. § 58). Eine Ausnahme von diesem Grundsatze enthält § 31 Abs. 3, G. v. 6/7. 1875,
betr. die Schutzwaldungen; darnach entscheidet in den durch dieses Gesetz betroffenen Angelegen-
heiten dasjenige Waldschutzgericht, in dessen Bezirk die zur Waldgenossenschaft zu vereinigenden
Grundstücke sämmtlich oder der Fläche nach zum größten Theile gelegen sind. Geht der An-
trag vom Kreise selbst aus, so bezeichnet der Bezirksausschuß das zuständige Waldschutzgericht.
Bezüglich der sachlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist zunächst auf Nr. II zu ver-
weisen. Im Uebrigen ist zu bemerken, daß der Kreisausschuß stets nur in erster Instanzentscheidet;
der Bezirksausschuß ist in einer Reihe von Fällen Gericht erster Instanz (namentlich in Angelegen-
heiten der Stadtkreise und der Städte von über 10000 Einwohnern), im Uebrigen entscheidet
er als Gericht zweiter Instanz über die Berufungen gegen die Urtheile des Kreisausschusses
und gegen die Bescheide desselben in den Fällen der §§ 64 und 67 L. V. G. Das Oberver-
waltungsgericht entscheidet in einigen wenigen Fällen als Gericht erster und letzter Instanz;
im Uebrigen ist es Revisionsgericht gegenüber den in zweiter Instanz erlassenen Entscheidungen
der Bezirksausschüsse und Berufungsgericht gegenüber den in erster Instanz ergangenen Ent-
scheidungen dieser Gerichte. Ausnahmsweise ist schon gegen die in erster Instanz ergangenen
Urtheile der Kreisausschüsse oder Bezirksausschüsse die Revision zulässig (z. B. 8§ 21, 118 Z. G.).
Die gesetzlichen Vorschriften über die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Verwalt-
ungsgerichte sind absolut zwingender Natur. Ein prorogatio fori ist nicht zulässig. Das Ge-
richt hat unter allen Umständen seine Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen und wahrzu-