Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

83. Das Königreich Preußen unter Friedrich J. und Friedrich Wilhelm J. 7 
vertrag (pactum gentilicium) am 26. November 1695, bestätigt am 30. Januar 1707, durch 
welchen namentlich das Successionsrecht der Kurlinie in den schwäbischen Landen begründet 
wurde. 
Die wichtigste und für die Entwickelung des preuß. Staates folgenreichste Maßregel 
dieses Königs war die Annahme der Königskrone. Nachdem in dem „erneuten Allianz- 
traktat“ vom 4. Dez. 1700 Kaiser Leopold I. im voraus seine Zustimmung gegeben hatte, nahm 
Friedrich für das souveraine Herzogthum Preußen am 18. Januar 1701 die Königswürde an. 
Da das Herzogthum Preußen keinen Bestandtheil des Reiches bildete, so hatte die Zustimmung 
des Kaisers nicht die Bedeutung einer Ertheilung der Königswürde, sondern nur der völkerrecht- 
lichen Anerkennung der neuen Würde, die noch im Jahre 1701 von England, Rußland, Holland, 
Dänemark, Sachsen, der Schweiz und den Fürsten des Reiches erfolgte 1). Daraus ergibt sich 
auch, daß an und für sich das Verhältniß des Landesherrn zu den übrigen Gebietstheilen durch 
den Königstitel sich nicht änderte. Es lag aber in der Natur der Sache, daß der Königstitel auch 
in diesen Gebieten gebraucht wurde und daß die schon unter dem großen Kurfürsten finanziell, 
administrativ und militärisch geeinigten Besitzungen des brandenburgischen Hauses von nun 
an um so mehr als Provinzen eines einheitlichen Staates galten, was nicht ausschloß, daß 
die einzelnen Provinzen ihre besondere ständische wenn auch wenig bedeutsame Verfassung 
behielten und die zum Reiche gehörigen Provinzen im Reichsverbande blieben. 
Wie der große Kurfürst seine Besitzungen administrativ geeinigt hatte, so ging König 
Friedrich I. daran, auf dem Gebiete der Justiz Einheit zu schaffen, so weit dies mit Rücksicht 
auf die Stellung der verschiedenen Gebiete zur Gerichtsbarkeit des Reichs möglich war. 
Preußen als souveränes Land war der Reichsgerichtsbarkeit überhaupt nicht unterworfen; die 
Kur= und Neumark besaß ein unbedingtes privilegium de non appellando, so daß sie nur in 
Bezug auf die Fälle der Justizverweigerung und der sog. unheilbaren Nullitäten dem Reichs- 
gerichte untergeordnet war. Die übrigen Gebiete unterstanden dagegen in gewöhnlicher Weise 
der höchsten Gerichtsbarkeit des Reiches. Da es mit Rücksicht auf diese Verhältnisse nicht 
möglich war, alle Gebiete unter einen einzigen höchsten Gerichtshof zu stellen, so behielten 
Preußen und die Mark Brandenburg ihre höchsten Gerichte, für die übrigen Territorien jedoch 
wurde, nachdem der Kaiser 1703 ein beschränktes privilegium de non appellando ertheilt 
hattc, ein gemeinsames Oberappellationsgericht in Berlin zur Entscheidung aller nicht mehr 
zur Zuständigkeit der Reichsgerichte gehörigen Sachen errichtct. 
König Friedrich Wilhelm I. (1713— 1740), welcher im Frieden von Utrecht 
(11/4. 1713) das sog. Oberquartier von Geldern) und im Frieden von Stockholm (21/1. 
1720) Vorpommerrn bis zur Peene erwarb, stellte neuerdings im Hausgesetze vom 13. Aug. 
1713 die Unveräußerlichkeit und Untheilbarkeit der Monarchie und ihrer Bestandtheile, sowie 
aller unbeweglichen und beweglichen zur Ausstattung der Krone gehörigen Gegenstände fest, 
indem er gleichzeitig den Unterschied zwischen Schatullgütern und sog. ordinären Kammer= 
gütern aufhob und den ersteren die Eigenschaft rechter Domänial-, Kammer= und Tafelgüter 
sammt der denselben in den Rechten anklebenden Unveräußerlichkeit beilegte. Damit war der 
  
1) Papst Klemens XI. protestirte am 21/4. 1701 gegen die Annahme der Königswürde, „da es 
dem heil. Stuhl allein gebühre, Könige zu ernennen“. Max Lehmann, Preußen und die kathol. 
Kirche, I. S. 367 f. 
2) Es handelte sich hier ebenfalls um einen Bestandtheil der oranischen Erbschaft. Im Frieden von 
Utrecht trat Ludwig XIV. von Frankreich in Vollmacht seines Enkels, des Königs Philipp von Spanien, 
Geldern an König Friedrich Wilhelm I. ab, und erkannte ihn als Fürsten von Neuenburg an, wogegen 
Friedrich Wilhelm I. auf das Fürstenthum Orange und die dazu gehörigen Güter in der Dauphiné 
und Franche comté zu Gunsten Frankreichs verzichtete und die Entschädigung der Linie Nassau-Dietz, 
welche ebenfalls Erbansprüche erhoben hatte, übernahm. Außerdem erkannte Ludwig XIV. für sich und 
den König von Spanien die preuß. Königswürde und den Majestätstitel an.
	        
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