214 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 55.
Nach durchgeführtem Schriftenwechsel werden die Parteien zur mündlichen Verhandlung
unter der Verwarnung geladen, daß beim Ausbleiben nach Lage der Sache werde entschieden
werden (L. V. G. 8 68).
Hat weder der Kläger noch der Beklagte die Anberaumung der mündlichen Verhandlung
beantragt, so kann das Gericht auch ohne solche Verhandlung schon auf Grund der Erklärung
der Parteien die Entscheidung in der Form eines mit Gründen versehenen Bescheides nach Maß-
gabe des § 64 Abs. 4—7 fällen (L.V.G. § 67). Ein solcher Bescheid ist jedoch unzulässig,
wenn keine förmliche Klage gestellt, sondern nur Verhandlung der Sache im Verwaltungsstreit-
verfahren beantragt ist, da in diesem Falle sofort die Vorladung zur mündlichen Verhandlung
erfolgt (L. V.G. §69). Haben beide Parteien auf die mündliche Verhandlung ausdrücklich ver-
zichtet, so kann die Sache nach § 80 L.V.G. auf Grund der Akten entschieden werden. Die
Entscheidung hat in diesem Falle die Bedeutung eines förmlichen Urtheils, nicht bloß eines vor-
läufigen Bescheides, wie in den Fällen der §§ 64 und 67.
In der mündlichen Verhandlung, welche in öffentlicher Sitzung des Gerichts zu erfolgen
hat, sind die Parteien oder ihre mit Vollmacht versehenen Vertreter zu hören (L.V.G. 8S71, 72).
Zur Aufklärung des Sachverhältnisses kann das Gericht das persönliche Erscheinen der Par-
teien anordnen (L.V.G. 8 68 Abs. 2). Die Anwendung von Zwangsmitteln zu diesem Behufe
gestattet jedoch das Gesetz nicht.
Den Parteien steht es frei, ihre Erklärungen auch ohne dazu besonders aufgefordert zu
sein, vor dem Termine schriftlich einzureichen und zu ergänzen. Das Duplikat solcher Er-
klärungen ist der Gegenpartei zuzufertigen, event. ist der wesentliche Inhalt in der mündlichen
Verhandlung mitzutheilen (L. V.G. S 68 Abs. 3).
Es fragt sich nun, was zu geschehen hat, wenn in der zur mündlichen Verhandlung an-
beraumten Sitzung keine der Parteien erscheint bezw. verhandelt. In einem solchen Falle wird
die Sache einfach zu ruhen haben, bis sie durch einen Antrag seitens einer der Parteien wieder
in Gang gebracht wird, denn wenn nicht wenigstens eine der Parteien erscheint, kann von einer
mündlichen Verhandlung nicht die Rede sein. Vgl. Stengel, Organisation u. s. w. S. 513
und S. 668, A. A. Bornhak S. 4361).
Die Parteien bezw. ihre bevollmächtigten Vertreter können ihre thatsächlichen und recht-
lichen (in der Klage oder in den im Vorverfahren gewechselten Schriftsätzen enthaltenen) Anführ-
ungen in der mündlichen Verhandlung ergänzen oder berichtigen und auch die Klage abändern,
insofern durch die Abänderung nach dem Ermessen des Gerichts das Vertheidigungsrecht der
Gegenpartei nicht geschmälert und eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens nicht herbeige-
führt wird. Sie haben sämmtliche Beweismittel anzugeben und soweit dies nicht bereits vor-
her geschehen, die schriftlichen ihnen zu Gebote stehenden Beweismittel vorzulegen, auch können
sie Zeugen zur Vernehmung vorführen. Damit der Sachverhalt vollständig aufgeklärt werde,
hat der Vorsitzende die Pflicht bezw. das Recht, die Parteien zur Stellung sachdienlicher An-
träge zu veranlassen und den Mitgliedern des Gerichts die Stellung von Fragen, über deren
Angemessenheit event. das Gericht entscheidet, zu gestatten (L.V.G. 8 71).
Die mündliche Verhandlung erfolgt unter Zuziehung eines vereidigten Protokollführers.
1) Zur Begründung der im Texte vertretenen Ansicht darf wohl auf das badische G. v. 14/6.
1884, betr. die Verwaltungsrechtspflege, verwiesen werden, welches sich bezüglich des Verfahrens eng an
das L.V.G. anschließt. Daselbst heißt es im § 26: „Bleibt bei der mündlichen Verhandlung eine
Partei aus, so kann auf Antrag der erschienenen Gegenpartei, sofern nicht gemäß § 25 die Vertagung
zu beschließen ist, gleichwohl die Verhandlung mit Einschluß der Beweisaufnahme und die Entscheidung
der Sache erfolgen. Erscheinen beide Parteien nicht, so wird ihnen eröffnet, daß bis auf weiteren
Antrag das Verfahren beruhe. Ist jedoch die Entscheidung nach Lage der Akten ausdrücklich von einer
Partei beantragt und die Sache zur Entscheidung reif, so hat der Bezirksrath auf Vortrag des Vor-
sitzenden in der Sache selbst zu erkennen.“