Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

218 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 55. 
Für die aus Gründen des öffentlichen Interesses eingelegte Berufung bestimmt L. V. G. 
8 91, daß das Berufungsgericht zunächst über die Vorfrage zu entscheiden hat, ob das öffent- 
liche Interesse für betheiligt zu erachten ist. Wird die Vorfrage verneint, so wird die Be— 
rufung als unstatthaft zurückgewiesen, ohne daß in die Verhandlung der Sache selbst einge— 
treten wird (L. V. G. 8 91). 
Die Zufertigung der Entscheidung des Berufungsgerichts, welches im Gegensatz zum 
Revisionsgericht den ganzen Streitfall nach seiner thatsächlichen Grundlage, wie nach seiner 
rechtlichen Würdigung zu beurtheilen hat, erfolgt durch die Vermittelung desjenigen Gerichts, 
gegen dessen Entscheidung die Berufung eingelegt worden war (L.V.G. § 92 Abs. 2). 
Bezüglich der Prozeßbeschwerden im Verwaltungsstreitverfahren enthalten die 8§ 110 
und 111 L.V.G. die erforderlichen Vorschriften. Nach § 110 entscheidet auf Beschwerden, 
welche die Leitung des Verfahrens bei den Kreis= und Bezirksausschüssen zum Gegenstande 
haben (Beweisbeschlüsse sind, weil sie die richterliche Entscheidung in materieller Hinsicht vorbe- 
reiten, keine das Verfahren leitende Verfügungen; Beschwerde findet daher gegen derartige Be- 
schlüsse nicht statt (E. d. O. V.G. 1 S. 445.), das im Instanzenzuge zunächst höhere Gericht 
endgültig. Gemäß § 111 sind alle Beschwerden innerhalb der für dieselben vorgeschriebenen 
Frist (zwei Wochen [8#8§ 62, 78, 108, 60 L.V.G.)) bei dem Gerichte, gegen dessen Entscheidung 
sie gerichtet sind, einzulegen. Wird die Frist versäumt, so ist die Beschwerde ohne weiteres 
durch einen nach § 86 L.V.G. zu fassenden Beschluß zurückzuweisen. Ebenso ist, wenn die Be- 
schwerde sich sofort als rechtlich unzulässig oder unbegründet bezw. begründet darstellt, nach 
Analogie des § 64 L.V. G. zu verfahren; doch braucht die Entscheidung nicht in öffentlicher 
Sitzung zu erfolgen. 
Wird die Beschwerde innerhalb der gesetzlichen Frist bei demjenigen Gerichte angebracht, 
welches zur Entscheidung zuständig ist, so gilt die Frist als gewahrt. 
Das Verfahren in der Revisionsinstanz. Gegen die von den Bezirksausschüssen 
in zweiter Instanz erlassenen Endurtheile ist, soweit nicht gemäß besonderer gesetzlicher Vor- 
schrift diese Urtheile endgültig (vgl. Zust. G. 8 74) oder die gegen dieselben stattfindenden Rechts- 
mittel in abweichender Weise geregelt sind (vgl. oben), das Rechtsmittel der Revision an das 
Oberverwaltungsgericht zulässig, welches nicht bloß den Parteien, sondern aus Gründen des 
öffentlichen Interesses auch dem Vorsitzenden des Bezirksausschusses zusteht (L.V.G. § 93). 
Die Revision kann nur darauf gestützt werden, 1. daß die angefochtene Entscheidung auf 
der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts; insbesondere auch 
der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe; 2. daß 
das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. 
Was als wesentlicher Mangel des Verfahrens zu betrachten ist, ist im Gesetze nicht ge- 
sagt, wie auch nirgends absolute Nichtigkeitsgründe angegeben sind. Es liegt deshalb im Er- 
messen des Gerichtes unter analoger Anwendung der in 5513 C. Pr.O. und § 377 Str. Pr.O. 
aufgestellten Nichtigkeitsgründe (nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts; 
Mitwirkung eines von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters, 
sofern nicht dieses Hinderniß mittelst eines Ablehnungsgesuches ohne Erfolg geltend gemacht 
worden ist; Mitwirkung eines wegen Besorgniß der Befangenheit abgelehnten Richters, wenn 
das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war, oder mit Unrecht verworfen worden 
ist; unbegründete Annahme der Zuständigkeit oder Unzuständigkeit auf Seiten des Gerichts; 
mangelhafte Vertretung der Partei im Prozesse, sofern die Prozeßführung nicht ausdrücklich 
oder stillschweigend von ihr genehmigt worden ist; Verletzung der Vorschriften über die Oeffent- 
lichkeit des Verfahrens; Fehlen der Entscheidungsgründe) im einzelnen Falle festzustellen, ob ein 
wesentlicher Mangelvorliegt. (Vgl. E. O. V.G. LI S. 311, 324, 407, 409, 412; II. S. 209, 379, 
450; III S. 109; IV S. 131, 178, 253, 367; V S. 65; VI S. 394; VIII S. 187; L 
S. 433; XII S. 433.)
	        
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