Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 55. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit. 219 
Ist der Mangel in der ersten Instanz vorgekommen, in der zweiten aber nicht gerügt 
worden, und hat er die Entscheidung zweiter Instanz nicht beeinflußt, so kann er 
später nicht mehr geltend gemacht werden. Zur Einlegung der Revision genügt es nämlich 
nicht, daß während des Verfahrens oder bei der Urtheilsfällung eine Vorschrift des materiellen 
Rechts oder des Prozeßrechts nicht beachtet worden ist, es muß diese Nichtbeachtung auch direkt 
oder indirekt eine Verletzung des Rechts des Revisionssuchers wenigstens möglicherweise zur 
Folge gehabt haben. 
Die Revision muß binnen zwei Wochen schriftlich bei demjenigen Gerichte, welches in 
erster Instanz entschieden hat, eingelegt und unter Angabe der Revisionsgründe gerechtfertigt 
werden. Das Oberverwaltungsgericht ist jedoch an die geltend gemachten Revisionsgründe 
nicht gebunden (L. V. G. 88 95, 96, 97). 
Für das Verfahren in der Revisionsinstanz gelten durchweg die gleichen Vorschriften wie 
für die Berufungsinstanz mit der Abweichung, daß über die aus Gründen des öffentlichen Inter- 
esses eingelegte Revision eine Vorentscheidung nicht stattzufinden hat (L.V.G. § 95). Erachtet 
das Oberverwaltungsgericht die Revision für begründet, so hebt es das angefochtene Urtheil 
auf und entscheidet in der Sache selbst, wenn dieselbe spruchreif ist, event. wird die Sache an 
die dazu nach der Sachlage geeignete Instanz zurückverwiesen und die erforderliche Ergänzung 
oder Wiederholung des Verfahrens angeordnet (L.V.G. 8§ 98, 99). Das Gericht, an welches 
die Sache verwiesen wird, hat bei dem weiteren Verfahren und bei der von ihm anderweitig zu 
treffenden Entscheidung die in dem Aufhebungsurtheil des Oberverwaltungsgerichts aufgestellten 
Grundsätze als maßgebend zu betrachten (L.V. G. § 101). 
Die Wiederaufnahme des Verfahrens. Nach L.V. G. § 100 findet gegen die 
im Verwaltungsstreitverfahren ergangenen rechtskräftig gewordenen Endurtheile das außer- 
ordentliche Rechtsmittel der Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter denselben Vor- 
aussetzungen, in demselben Umfange und innerhalb derselben Fristen statt, wie nach den bürger- 
lichen Prozeßgesetzen (88 541 ff. C. Pr.O.) die Nichtigkeitsklage bezw. Restitutionsklage. 
Zuständig für die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist ausschließlich das 
Oberverwaltungsgericht. Erachtet das Oberverwaltungsgericht die Klage für begründet, so 
hebt es die angefochtene Entscheidung auf, verweist die Sache zur anderweitigen Entscheidung 
an die nach der Sachlage geeignete Instanz und verordnet die Wiederholung oder Ergänzung 
des Verfahrens, soweit dasselbe vom Anfechtungsgrunde betroffen wird. 
Das Gericht, an welches die Sache zur anderweitigen Entscheidung gewiesen ist, hat bei 
dem weiteren Verfahren und bei der von ihm anderweitig zu treffenden Entscheidung die im 
Aufhebungsbeschlusse des Oberverwaltungsgerichts aufgestellten Grundsätze, sowie dic demselben 
zu Grunde gelegten thatsächlichen Feststellungen als maßgebend zu erachten (§ 101 L.V.O). 
Gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Wiederaufnahmsklage 
giebt es natürlich kein Rechtsmittel; gegen die in der Sache selbst ergangenen Entscheidungen 
finden aber die gewöhnlichen Rechtsmittel statt (C.Pr. O. 8 554). 
Was nun die Wiederaufnahmsgründe anlangt, so findet nach § 542 C. Pr. O. die 
Nichtigkeitsklage statt: 1. wegen vorschriftswidriger Besetzung des Gerichts; 2. wegen Mit- 
wirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen, 3. wegen Mitwirkung eines abgelehnten Richters; 
4. wegen nicht vorschriftsmäßiger Vertretung einer Partei (in den Fällen 1 und 3 nur, wenn 
die Nichtigkeit nicht mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte). 
Die Restitutionsklage findet statt (C. Pr. O. 5543): wenn das Urtheil 1. auf Grund 
eines falsch geschworenen Parteieneides; 2. auf Grund einer falschen Urkunde; 3. auf Grund 
eines falsch geschworenen Zeugen= oder Sachverständigeneides erlassen ist; 4. wenn das Urtheil 
vom Vertreter der Partei oder vom Gegner oder von dessen Vertreter durch eine in Beziehung 
auf den Rechtsstreit verübte, mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu ver- 
hängenden öffentlichen Strafe bedrohte Handlung erwirkt worden ist; 5. unter derselben Vor-
	        
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