226 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 57.
II. Die Kompetenzkonflikte. Zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen
Gerichten und Verwaltungsbehörden wurde durch G. v. 8/4. 1847 (G. S. S. 170) unter Be-
seitigung der Zulässigkeit des Kompetenzkonfliktes gegenüber rechtskräftigen Urtheilen „der Ge-
richtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte“ in Berlin bestellt, der aus dem Präsidenten
des Staatsraths, aus dem Staatssekretär und 9 anderen Mitgliedern des Staatsraths bestand,
von denen 5 Justiz= und 4 Verwaltungsbeamte sein mußten.
Das R.G.V.G. hat nun in § 17 Abs. 1 den Grundsatz ausgesprochen, daß die Gerichte
über die Zulässigkeit des Rechtswegs entscheiden, jedoch in Abs. 2 der Landesgesetzgebung an-
heimgestellt, die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Gerichten und den Verwaltungs-
behörden oder Verwaltungsgerichten über die Zulässigkeit des Rechtswegs besonderen Behörden
zu übertragen, für deren Organisation und Verfahren in Ziffer 1—4 a. a. O. gewisse Normativ=
bestimmungen gegeben wurden.
Gleichzeitig wurde in § 17 Abs. 2 E.G. z. R.G.V.G. zugelassen, daß in denjenigen
Bundesstaaten, in denen Kompetenzkonflikts-Behörden bestehen, die nach Maßgabe des § 17
Ziff. 1—4 R.G. V.G. einer Veränderung ihrer Einrichtung und des Verfahrens bedürfen, die
Veränderung, sofern sie nicht bis zum Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes landesgesetz=
lich getroffen ist, durch landesherrliche Verordnung eingeführt werden kann. In Preußen wurde
dieser letztere Weg gewählt, nachdem der Versuch der Staatsregierung, die Uebereinstimmung
des im Uebrigen aufrecht erhaltenen preußischen Rechts mit den Vorschriften des Reichsrechts
im Wege der Gesetzgebung herbeizuführen, am Widerstande des Abgeordnetenhauses gescheitert
war. Es erging die jetzt noch gültige V. v. 1/8. 1879 betr. die Kompetenzkonflikte zwischen
den Gerichten und Verwaltungsbehörden (G. S. S. 873), welche in § 4 insbesondere bestimmt,
daß der Kompetenzkonflikt nur noch in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, also nicht in
Strassachen zulässig ist.
Der Kompetenzkonflikt ist entweder positiv oder negativ. Positiv ist er, wenn sowohl
die Gerichte, wie die Verwaltungsbehörden in der betr. Streitsache ihre Zuständigkeit behaupten,
also in einer vor einem ordentlichen Gerichte anhängigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeit die
Unzulässigkeit des Rechtswegs behauptet wird. Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt dagegen
vor, wenn sowohl die Gerichte wie die Verwaltungsbehörden ihre Zuständigkeit ablehnen.
Zuständig zur Entscheidung der positiven wie negativen Kompetenzkonflikte ist der Kom-
petenzkonflikts-Gerichtshof zu Berlin, der nach § 2 V. v. 1/8. 1879 aus 11 vom Könige auf
Vorschlag des Staatsministeriums zu ernennenden, mindestens 35 Jahre alten Mitgliedern
besteht, von denen 6 dem Oberlandesgericht zu Berlin angehören, die übrigen 5 für den höheren
Verwaltungsdienst oder zum Richteramte befähigt sein müssen. Die Mitglieder werden auf die
Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amtes oder falls sie zu dieser Zeit
ein Amt nicht bekleiden, auf Lebenszeit ernannt. Der Gerichtshof entscheidet in der Besetzung
von 7 Mitgliedern.
Was nun den positiven Kompetenzkonflikt anlangt, so kann derselbe in jeder Lage des
Verfahrens vom Beginne der Rechtshängigkeit einer Sache bis zur Rechtskraft des Urtheils
erhoben werden. Gegen rechtskräftige Urtheile der Gerichte ist die Erhebung des Konflikts
ausgeschlossen (§ 17 Abs. 2 Nr. 4 R.G.V.G. § 4 Abs. 2 V. v. 1/8. 1879). Gegen Ent-
scheidungen des Reichsgerichts ist die Erhebung des Konflikts überhaupt unzulässig, da die
Landesgerichte bezw. Landesbehörden gegenüber Reichsbehörden keine Zuständigkeit haben.
Nach § 5 V. v. 1/8. 1879 sind nur die Central= und Provinzialverwaltungsbehörden zur Er-
hebung des Konflikts ermächtigt; zu den Provinzialverwaltungsbehörden im Sinne der Ver-
ordnung gehören die Oberpräsidenten, die Bezirksregierungen, die Provinzialsteuerdirektionen,
die Provinzialschulkollegien, die Oberbergämter, das Polizeipräsidium zu Berlin, sowie die
Konsistorien; da wo die Provinzialbehörde mehrere Abtheilungen hat, ist die Erhebung des Kon-
flikts dem Plenum vorbehalten. Auch in denjenigen Angelegenheiten, welche dem Regierungs-