Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

236 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. § 59. 
übergehende Okkupation z. B. bei einem Manöver. Eine Enteignung ist nicht bloß bei unbe- 
weglichen Sachen, sondern auch bei beweglichen möglich; die Enteignung von Immobilien bildet 
jedoch den wichtigeren und häufiger vorkommenden Fall, weshalb denn auch die die Zwangs- 
enteignung regelnden Gesetze sich gewöhnlich nur auf die Enteignung von Grundeigenthum 
beziehen, während die hier nicht zu besprechende Enteignung von Mobilien, soweit dieselbe 
überhaupt erforderlich, durch besondere Gesetze geregelt ist. 
Bei der Zwangsenteignung handelt es sich um eine Maßregel, welche nothwendig ist, 
wenn die Verwaltung zur Durchführung öffentlicher Aufgaben bestimmter Vermögensgegen- 
stände bedarf, die von den Berechtigten entweder nicht abgetreten werden wollen oder nicht ab- 
getreten werden können (z. B. wegen Fideikommißqualität der betr. Sache). In solchen Fällen 
muß das Privatrecht dem öffentlichen Interesse weichen; Art. 9 V. U., welcher die Unverletzlich- 
keit des Eigenthums ausgesprochen hat, hat daher zugelassen, daß dasselbe aus Gründen des 
öffentlichen Wohles gegen vorgängige und in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzu- 
stellende Entschädigung entzogen oder beschränkt werden kann, jedoch vorgeschrieben, daß dies 
nach Maßgabe des Gesetzes geschehen muß. 
II. Die Zwangsenteignung ist gegenwärtig geregelt durch das G. v. 11/6. 1874 über 
die Enteignung von Grundeigenthum (G.S. S. 221 ff.), das für den ganzen Umfang der 
Monarchie ergangen und in dem Herzogthum Lauenburg durch das G. v. 28/4. 1875 (Offiz. 
Wochenblatt S. 291) mit geringen Abänderungen eingeführt worden ist. Das Gesetz, das in 
§ 57 alle entgegenstehenden Vorschriften für aufgehoben erklärt hat, bezieht sich nur auf die 
Entziehung oder Beschränkung des Grundeigenthums, bezw. der Rechte am Grundeigenthum 
(§§ 1 und 6 d. G.)). 
Was die Zulässigkeit der Enteignung anlangt, so kann das Grundeigenthum nur aus 
Gründen des öffentlichen Wohls für ein Unternehmen, dessen Ausführung die Ausübung des 
Enteignungsrechts fordert und zwar auf Grund einer königlichen Verordnung entzogen oder 
dauernd beschränkt werden, welche den Unternehmer und das Unternehmen, zu dem das Grund- 
eigenthum in Anspruch genommen wird, bezeichnet. Die königliche Verordnung wird durch das 
Amtsblatt derjenigen Regierungen bekannt gemacht, in deren Bezirk das Unternehmen ausge- 
führt werden soll (8§8 1 u. 2). 
Von der Regel, daß die Zulässigkeit der Enteignung durch eine königliche Verordnung 
auszusprechen ist, finden gewisse Ausnahmen statt. Der Bezirksausschuß, bezw. im Stadtkreise 
Berlin die erste Abtheilung des Polizeipräsidiums (Zust. G. § 150) ist nämlich befugt, a) die 
Zulässigkeit der Enteignung auszusprechen für Geradelegung oder Erweiterung öffentlicher Wege, 
sowie zur Umwandelung von Privatwegen in öffentliche Wege, vorausgesetzt, daß das dafür in 
Anspruch genommene Grundeigenthum außerhalb der Städte und Dörfer belegen und nicht mit 
Gebäuden besetzt ist; b) vorübergehende wider den Willen des Grundeigenthümers die Dauer 
von drei Jahren nicht überschreitende Beschränkungen anzuordnen; c) nach näherer Vorschrift 
des § 5 die Erlaubniß zur Vornahme von Vorarbeiten für ein die Enteignung rechtfertigendes 
Unternehmen zu ertheilen (§§ 3, 4, 5 d. G.). 
Das Enteignungsverfahren zerfällt in drei Theile: 1. Feststellung des Planes (d. h. 
Bestimmung der Gegenstände der Enteignung), 2. Feststellung der Entschädigung; 3. Voll- 
ziehung der Enteignung. 
1. Die Feststellung des Planes (§§ 15, 18—22). Das Verfahren beginnt mit 
der Aufstellung eines Planes, der von derjenigen Behörde zu prüfen und festzustellen ist, die 
  
1) Vgl. auch § 54 d. G., wo diejenigen Angelegenheiten (Ablösung von Reallasten u. s. w.) 
aufgeführt sind, auf die sich das Gesetz nicht bezieht. Besondere Bestimmungen sind ferner in §§ 50 ff. 
gegeben über die Entnahme von Wegebaumaterialien.
	        
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