§ 59. Die Zwangsenteignung. 237
dazu nach den für die verschiedenen Arten der Unternehmungen bestehenden Gesetzen berufen
erscheint. Der Unternehmer hat für jeden Gemeinde= oder Gutsbezirk einen Auszug aus dem.
vorläufig festgestellten Plane anzufertigen und dem betreffenden Regierungspräsidenten (§ 150
Zust.G.) vorzulegen. Dieser Auszug wird in dem betreffenden Gemeinde= oder Gutsbezirke
während 14 Tagen zu Jedermanns Einsicht offen gelegt; während dieser Zeit haben sowohl
die Betheiligten, als auch der Vorstand des Gemeinde= oder Gutsbezirks das Recht, Ein-
wendungen gegen den Plan zu erheben, welche nöthigenfalls an Ort und Stelle vor einem
vom Regierungspräsidenten zu ernennenden Kommissär erörtert werden; Letzterer hat sodann
die Verhandlung dem Bezirksausschuß vorzulegen, welcher a) den Gegenstand der Enteignung,
die Größe und Grenzen des abzutretenden Grundbesitzes, die Art und den Umfang der auf-
zuerlegenden Beschränkungen, sowie auch die Zeit, innerhalb deren längstens vom Enteignungs-
rechte Gebrauch zu machen ist, soweit die königliche Verordnung über diese Punkte keine Be-
stimmungen enthält 1); b) die Anlagen, zu deren Errichtung und Unterhaltung der Unternehmer
verpflichtet ist (§ 14) mittelst motivirten Beschlusses feststellt. Gegen diese Entscheidung steht
den Betheiligten der Rekurs an die vorgesetzte Ministerial-Instanz offen (§ 21)2).
2. Die Feststellung der Entschädigung (6§ 7—14; 24—319). Die Entschädigung
obliegt dem Unternehmer und ist in Geld zu leisten, soferne nicht in Spezialgesetzen eine Ent-
schädigung in Grund und Boden vorgeschrieben ist; sie besteht in dem vollen Werthe des ab-
zutretenden Grundstücks, einschließlich der enteigneten Zugehörungen und Früchte; wird nur
ein Theil des Grundbesitzes desselben Eigenthümers in Anspruch genommen, so umfaßt die
Entschädigung zugleich den Mehrwerth, den der abzutretende Theil durch seinen örtlichen und
wirthschaftlichen Zusammenhang mit dem Ganzen hat, sowie den Minderwerth, der für den
übrigen Grundbesitz durch die Abtretung entsteht. In dem Falle, wenn nur ein Theil von
einem Grundstück in Anspruch genommen wird, kann übrigens der Eigenthümer verlangen,
daß der Unternehmer das Ganze gegen Entschädigung übernimmt, wenn das Grundstück durch
die Abtretung so zerstückelt werden würde, daß das Restgrundstück nach seiner bisherigen Be-
stimmung nicht mehr zweckmäßig benützt werden könnte. Trifft die geminderte Brauchbarkeit nur
bestimmte Theile des Restgrundstücks, so beschränkt sich die Pflicht zur Mitübernahme auf diese
Theile; bei Gebäuden, welche theilweise in Anspruch genommen werden, umfaßt diese Pflicht
jedenfalls das ganze Gebäude (6§ 7—9).
Für die Abschätzung des Werthes des abzutretenden Grundstücks bezw. die Feststellung
der Entschädigung überhaupt sind in den 88 10—13 bestimmte Vorschriften gegeben. Außer-
dem bestimmt § 13, daß der Unternehmer, abgesehen von der Entschädigung, verpflichtet ist,
zur Herstellung derjenigen Anlagen an Wegen, Ueberfahrten, Triften, Einfriedigungen, Be-
wässerungs= und Vorfluthanstalten u. s. w., welche für die benachbarten Grundstücke oder im
öffentlichen Interesse zur Sicherung gegen Gefahren und Nachtheile nothwendig werden;
ebenso obliegt ihm die Unterhaltung dieser Anlagen, insoweit dieselbe über den Umfang der
1) Wenn der Unternehmer von dem ihm verliehenen Enteignungsrechte nicht binnen der in
§ 21 gedachten Zeit Gebrauch macht oder von dem Unternehmen zurücktritt, bevor die Festsetzung
Entschädigung durch Beschluß des Bezirksausschusses erfolgt ist, so erlischt sein Recht. Der Unter-
nehmer haftet in diesem Falle den Entschädigungsberechtigten im Rechtswege für die Nachtheile, welche
denselben durch das Enteignungsverfahren erwachsen sind. Tritt der Unternehmer zurück, nachdem
bereits die Feststellung der Entschädigung durch Beschluß der Regierung erfolgt ist, so hat der Eigen-
thümer die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die Nachtheile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren
erwachsen sind oder Zahlung der festgestellten Entschädigung gegen Abtretung des Grundstücks, geeig-
neten Falls nach vorgängiger Durchführung des im § 30 gedachten Prozeßverfahrens im Rechtswege
beanspruchen will (§ 42 d. G.).
2) Besondere Bestimmungen enthält 8 23 bezüglich des Enteignungsrechts bei der Anlage von
Eisenbahnen, insoferne genau bestimmt ist, zu welchen Anlagen und Zwecken der Eisenbahnverwaltung
das Enteignungsrecht geltend gemacht werden kann.