238 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 59.
bestehenden Verpflichtungen zur Unterhaltung vorhandener, demselben Zweck dienender An—
lagen hinausgeht.
Was das Entschädigungsverfahren selbst anlangt, so ist der Antrag auf Feststellung
der Entschädigung, nachdem der Enteignungsbeschluß des Bezirksausschusses die Rechtskraft
erlangt hat, vom Unternehmer schriftlich bei dem Regierungspräsidenten (§ 150 Z.G.) an-
zubringen; demselben sind die in § 24 Abs. 2 d. G. vorgeschriebenen Urkunden beizufügen.
Hierauf findet nach Maßgabe der §§ 25—28 a. a. O. eine kommissarische Verhandlung unter
Zuziehung von 1—3 Sachverständigen statt, die ein mit Gründen versehenes und beeidigtes
Gutachten abzugeben haben. Die Feststellung der Entschädigung erfolgt durch einen motivir-
ten Beschluß des Bezirksausschusses (in Berlin der ersten Abtheilung des Polizeipräsidiums,),
in welchem die Höhe der Entschädigung für die einzelnen Entschädigungsberechtigten, die zu
bestellende Kaution und die aus §§ 7— 13 sich ergebenden Nebenverpflichtungen genau festzu-
stellen sind und zugleich zu bestimmen ist, daß die Enteignung des Grundstücks nur nach erfolgter
Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungs= oder Kautionssumme auszusprechen sei. Gegen
den Beschluß des Bezirksausschusses steht dem Unternehmer sowohl als den übrigen Bethei-
ligten innerhalb sechs Monaten nach Zustellung des Beschlusses der Rechtsweg bei dem Ge-
richte zu, in dessen Bezirk das betreffende Grundstück belegen ist (§6 30).
Wegen solcher nachtheiliger Folgen der Enteignung, welche erst nach dem zum Zwecke
der kommissarischen Verhandlung mit den Entschädigungsberechtigten abgehaltenen Termine
erkennbar werden, bleibt denselben bis zum Ablaufe von drei Jahren nach der Ausführung des
Theils der Anlage, durch welche sie benachtheiligt werden, ein im Rechtswege verfolgbarer
persönlicher Anspruch gegen den Unternehmer vorbehalten (§ 31 d. G.).
3. Die Vollziehung der Enteignung wird auf Antrag des Unternehmers vom
Bezirksausschusse ausgesprochen, wenn der Rechtsweg dem Unternehmer gegenüber durch Ab-
lauf der sechsmonatlichen Frist, Verzicht oder rechtskräftiges Urtheil erledigt und wenn nach-
gewiesen ist, daß die vereinbarte oder endgültig festgestellte Entschädigungssumme oder Kau-
tionssumme rechtsgültig gezahlt oder hinterlegt ist1). Die Enteignungserklärung schließt, in-
sofern nicht ein Anderes dabei vorbehalten ist, die Einweisung in den Besitz in sich (§ 32)).
In dringlichen Fällen kann der Bezirksausschuß auf Antrag des Unternehmers an-
ordnen, daß noch vor Erledigung des Rechtswegs die Enteigunng erfolgen solle, sobald die
durch Beschluß des Bezirksausschusses festgestellte Entschädigungs= oder Kautionssumme ge-
zahlt oder hinterlegt worden. Diese Anordnung kann unter Umständen auch von vorgängiger
Leistung einer besonderen Kaution abhängig gemacht werden. Gegen den Beschluß des Bezirks-
Ausschusses in diesen Fällen steht innerhalb dreier Tage nach der Zustellung jedem Betheiligten
der Rekurs an die vorgesetzte Ministerialinstanz offen (§ 34). Jeder Betheiligte kann binnen
1) Die Fälle, in denen der Unternehmer verpflichtet ist, die Entschädigungssumme zu hinterlegen,
sind in § 37 d. G. aufgeführt.
2) Bezüglich der privatrechllichen Wirkungen der Enteignung bestimmen die 8§ 44 ff., daß
mit Zustellung des Enteignungsbeschlusses (§ 32) an Eigenthümer und Unternehmer das Eigenthum
des enteigneten Grundstücks auf den Unternehmer übergeht und daß dies auch in den Landestheilen
gilt, in denen nach den allgemeinen Gesetzen der Uebergang des Eigenthums von der Einschreibung
in die Grundbücher oder von der Errichtung des Vertrags bei dem Realrichter abhängig gemacht ist.
Das enteignete Grundstück wird mit dem angegebenen Zeitpunkt von allen darauf haftenden privat-
rechtlichen Verpflichtungen frei, soweit der Unternehmer dieselben nicht vertragsmäßig übernommen hat.
Die Entschädigung tritt rücksichtlich aller Eigenthums-, Nutzungs= und sonstigen Realansprüche, insbe-
sondere der Reallasten, Hypotheken= und Grundschulden an die Stelle des enteigneten Gegenstandes.
Diese Wirkungen treten auch dann ein, wenn die Abtretung des Grundstücks nach Maßgabe des § 16
oder § 26 durch Vereinbarung zwischen Unternehmer und Eigenthümer erfolgt ist. — Besondere Vor-
schriften enthalten die §§ 47—49, wenn das enteignete Grundstück Fideikommiß oder Stammgut war
oder im Lehn= oder im Leiheverbande stand, bezw. mit Reallasten, Hypotheken- oder Grundschulden be-
haftet war, soweit es sich um die Verfügung über die Entschädigungssumme handelt.