Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 62. Die Gewerbebetriebe des Staats. 247 
Das erste der bezüglichen Gesetze ist das Gesetz betr. den Erwerb mehrerer Privateisenbahnen 
für den Staat v. 20/ 12. 1879 (G. S. S. 635). Durch § 1 dieses Gesetzes wurde die Staatsregierung er- 
mächtigt, die Verwaltung und den Betrieb folgender Eisenbahnunternehmungen nach Maßgabe der mit 
den betr. Eisenbahngesellschaften geschlossenen Verträge zu übernehmen: 1. der Berlin-Stettiner; 2. der 
Magdeburg-Halberstädter; 3. der Hannover-Altenbeckener; 4. der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft. 
In § 2 des Ges. wurde sodann die Staatsregierung ermächtigt zur Ausgabe von Staatsschuldver- 
schreibungen in demjenigen Betrage, welcher erforderlich war um den Umtausch der Aktien der genannten 
Gesellschaften herbeizuführen und die Mittel zur Deckung des an die Aktionäre der Hannover-Altenbeckener 
Eisenbahngesellschaft für die Abtretung ihres Aktienbesitzes an den Staat zu zahlenden Kaufpreises und 
der den Aktionären der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft bei der Abstempelung ihrer Aktien zu ge- 
währenden Zuzahlung aufzubringen. Außerdem wurden durch § 4 des Ges. der Minister der öffent- 
lichen Arbeiten und der Finanzminister ermächtigt, die Auflösung der Berlin-Stettiner, Magdeburg- 
Halberstädter, Hannover-Altenbeckener und Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft nach Maßgabe der mit 
denselben abgeschlossenen Verträge herbeizuführen und bei der Auflösung innerhalb der im § 2 bezeich- 
neten Summen den Kaufpreis für den Erwerb der Bahnen zu zahlen. Endlich ist in § 7 bestimmt, 
daß jede Verfügung der Staatsregierung über die im 8§ 1 bezeichneten Eisenbahnen bezw. Eisenbahn- 
theile durch Veräußerung zu ihrer Rechtsgültigkeit der Zustimmung beider Häuser des Landtags bedarf. 
Weitere Gesetze bezüglich des Erwerbs von Privateisenbahnen ergingen am 14/2. 1880 (G. S. 
S. 20) — Rheinisches und Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahnunternehmen —; am 25/2. 1880 
(G. S. S. 55) — Homburger Eisenbahn —; am 7/3. 1880 (G. S. S. 157) — die im Großherzoglich 
Hessischen Gebiete belegene Strecke der Main-Weserbahn —; am 28/3. 1882 (G.S. S. 13) — Bergisch- 
Märkisch-Thüringisches, Berlin-Görlitzer, Cottbus-Großenhainer, Märkisch-Posener, Rhein-Nahe Eisen- 
bahnunternehmen —; am 13/5. 1882 (G.S. S. 269), — Berlin-Anhaltisches Eisenbahnunternehmen —; 
am 24/1. 1884 (G. S. S. 11) — Oberschlesisches, Breslau-Schweidnitz-Freiburger, Rechte-Oder-Ufer, 
Posen-Kreuzburger, Altona-Kieler Eisenbahnunternehmen und der im Fürstenthum Schaumburg-Lippe 
belegene Theil der Hannover-Mindener Eisenbahn —; am 17/5. 1884 (G. S. S. 129) — Berlin- 
Hamburger Eisenbahnunternehmen und die dem Hamburgischen Staate gehörigen Eisenbahnen, Bremische 
Eisenbahnen, Tilsit-Insterburger, und Oels-Gnesener Eisenbahnunternehmen —; am 23/2. 1885. (G.S. 
S. 11) — Braunschweigische, Schleswig'sche und Münster-Enscheder-Eisenbahn —; am 23/2. 1885 
(G. S. S. 43) — Halle-Sorau-Gubener Eisenbahn —; am 28/3. 1887 (G.S. S. 21) — Berlin- 
Dresdener, Nordhausen-Erfurter, Oberlausitzer, Aachen-Jülicher, Angermünde-Schwedter Eisenbahn —; 
am 9/5. 1890 (G. S. S. 69) — Wernshausen-Schmalkaldener, Unterelbesches, West-Holsteinisches Eisen- 
bahnunternehmen und Schleswig-Holsteinisches Marschbahnunternehmen. 
Durch diese in den wesentlichen Bestimmungen übereinstimmenden Gesetze wurde die 
Staatsregierung ermächtigt, die fraglichen Eisenbahnunternehmungen sofort anzukaufen oder 
unter Uebernahme aller Vermögensbestände und Schulden in Besitz, Verwaltung und Betrieb 
gegen eine den Aktionären zu zahlende feste Rente und vorbehaltlich des späteren Ankaufs zu 
übernehmen. Hierdurch wurde der Staat Rechtsnachfolger der früher bestandenen Eisenbahn- 
gesellschaften. Ein ausschließliches Recht des Baues und Betriebs der Eisenbahnen nimmt aber 
der Staat nicht in Anspruch. Deshalb handelt der Staat beim Betriebe der in seinem Eigen- 
thume oder seiner Verwaltung befindlichen Eisenbahnen nicht in Ausübung eines Hoheitsrechts, 
sondern er betreibt ein Gewerbe, bezüglich dessen er den bezüglichen Vorschriften des Privat- 
rechts wie Verwaltungsrechts unterliegt. 
Bezüglich der Verwendung der Eisenbahneinnahmen hat das G. v. 27/3. 1882 (G. S. 
S. 214) besondere bei Aufstellung des Etats zu Grunde zu legende Bestimmungen getroffen. 
Die Verwendung der Jahresüberschüsse der Eisenbahnen hat nämlich zu erfolgen: 1. zur Ver- 
zinsung der jeweiligen Staatseisenbahnkapitalschuld; 2. zur Ausgleichung eines etwa vor- 
handenen Defizits im Staatshaushalt, welches andernfalls durch Anleihen gedeckt werden 
müßte, bis zur Höhe von 2200 000 M.; 3. zur Tilgung der Staatseisenbahnkapitalschuld, 
welche nach § 4 d. G. alljährlich bis zur Höhe von / Prozent zu tilgen ist, vorbehaltlich der 
durch den Staatshaushaltsetat über den Betrag von 3/1 Prozent hinaus anzuordnenden wei- 
teren Tilgung. Diese Bestimmungen sind bei der Aufstellung des Etats zu Grunde zu legen; 
sie haben die Bedeutung gesetzlicher Vorschriften, von denen nur auf Grundlage der Ueberein- 
stimmung aller gesetzgebenden Faktoren abgewichen werden kann.
	        
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