250 Viertes Buch: Die Finanzverwaltung. I. Kapitel. 8 63.
Tilgung der Staatsschulden erfolgt in der Regel durch freihändigen Ankauf der einzelnen Obli-
gationen nach Maßgabe der verfügbaren Ueberschüsse des Staatshaushalts.
Neben dieser Art der Staatsschulden hat das G. v. 20/7. 1883, betr. das Staatsschuld-
buch (G. S. S. 120), in Kraft getreten am 1/10. 1884 auf Grund der V. vom 25/|4. 1884
(G. S. S. 269) noch eine andere Art von Staatsschulden — Buchschulden — zugelassen.
Nach diesem Gesetze können nämlich Schuldverschreibungen der 4 /%igen konsolidirten Anleihe
in Buchschulden des Staats auf den Namen eines bestimmten Gläubigers umgewandelt werden.
Die Umwandelung erfolgt gegen Einlieferung zum Umlaufe brauchbarer Staatsschuldver-
schreibungen durch Eintrag in das bei der Hauptverwaltung der Staatsschulden zu führende
Staatsschuldbuch. Mit der Eintragung erlöschen die Rechte des Inhabers an den eingelieferten
Schuldverschreibungen.
Die GG. vom 4/3. 1885 (G.S. S. 55) und 12/4. 1886 (G.S. S. 186) haben diese
Möglichkeit ausgedehnt auf die in 4 %% ige konsolidirte Schuldverschreibungen umgewandelte, auf
Grund dieses Gesetzes gekündigte Schuldverschreibungen der 4½ /igen konsolidirten Anleihe
und die Schuldverschreibungen der 3 ½ 0% igen konsolidirten Anleihe. Endlich hat das G. vom
8/6. 1891 (G. S. S. 105) vorgeschrieben, daß die Bestimmungen des G. v. 20/7. 1883 auf
die Schuldverschreibungen der sämmtlichen konsolidirten Anleihen mit der Maßgabe Anwendung
finden, daß für die zu verschiedenen Zinssätzen erfolgenden Eintragungen getrennte Bücher an-
gelegt werden können #).
Der für eine längere Zeit kontrahirten Staatsschuld, gewöhnlich fundirte Schuld ge-
nannt, gegenüber bezeichnet man mit dem Ausdruck „schwebende Schulden“ gewisse lediglich
auf kürzere Zeit gemachten Anleihen. Die schwebende Schuld wird dadurch hervorgerufen, daß
im Laufe des Etatsjahrs die zur Deckung der etatsmäßigen Ausgaben bestimmten Einnahmen
noch nicht oder nicht in erforderlicher Höhe eingegangen sind, die Ausgaben aber gemacht werden
müssen. Zur Deckung des sich hiedurch ergebenden Bedürfnisses werden verzinsliche Schatz-
scheine ausgegeben, zu deren Ausgabe der Finanzminister das erste Mal durch G. v. 28/9.
1866 (G.S. S. 607) ermächtigt wurde. Seit dem Jahre 1868 ist diese Ermächtigung in
allen Etatsgesetzen wiederholt worden, unter Verweisung auf das G. v. 28/9. 1866 und der
Angabe der Höhe des Betrags der Schatzanweisungen und ihrer Verfallzeit.
Was die Garantien (Bürgschaften) des Staats für fremde Schuldverbindlichkeiten an-
langt, so sind namentlich Garantien geleistet worden für Zinsen und Dividenden, welche Eisen-
bahngesellschaften ihren Gläubigern und Aktionären zu leisten versprochen haben. Der Um-
fang der Bürgschaft richtet sich nach der im Garantiegesetz enthaltenen Ermächtigung.
IV. Während die Verwaltung der schwebenden Schuld durch das Finanzministerium
erfolgt, ist für die Verwaltung der Staatsschulden durch die V. v. 17/1. 1820 eine besondere
Behörde unter der Benennung „Hauptverwaltung der Staatsschulden“ (ein Präsident und vier
Mitglieder) geschaffen worden. Nach Erlaß der Verfassungsurkunde wurde durch das G. v.
24/2. 1850 (G.-. S. 57) betreffend die Verwaltung des Staatsschuldenwesens und die Bil-
dung einer Staatsschuldenkommission bestimmt, daß die Hauptverwaltung der Staatsschulden
als eine von der allgemeinen Finanzverwaltung abgesonderte selbstständige Behörde fortbesteht
und der oberen Leitung des Finanzministers nur insoweit unterliegt, als dies mit ihrer Unab-
hängigkeit vereinbar ist. Die Behörde setzt sich nach der Nov. v. 13/2. 1884 (G.S. S. 64)
zusammen aus einem Direktor, der nicht zugleich Minister sein darf, und mindestens drei Mit-
1) Nachdem mit dem 1/4. 1891, abgesehen von wenigen Ausnahmen, die noch nicht in Konsols
umgewandelten Eisenbahnprioritäten auf den Etat der Staatsschuldenverwaltung übertragen waren,
betrug die preußische Staatsschuld: 1. allgemeine Staatsschuld (ältere 107 Mill. konsolid. 4prozentige
3593 Mill., 3½/2 prozentige 1891 Mill. und 3prozentige 65 Mill.) 5656 Mill. Mark; 2. Eisenbahnschuld
179 Mill.; 3. Hinterlegungsgelder zu 2⅛½ Proz. 26 Mill., zusammen 5861 Mill. Mark. Dieser Schuld
steht aber namentlich in den Eisenbahnen ein sehr bedeutendes Aktivvermögen gegenüber.