Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

256 Viertes Buch: Die Finanzverwaltung. II. Kapitel. 8 65. 
sätzen für die untersten Klassen (Kab.O. v. 5/9. 1821) zerfiel sie in 12 Stufen (144 Thlr. bis ½ Thlr.) 
Für die Rheinprovinz wurde durch Kab.O. v. 1/3. 1828 die Klassenzahl auf 18 erhöht. 
Das G. v. 1/5. 1851 (G. S. S. 193) beschränkte den Begriff der Klassensteuer auf die Be- 
steuerung der kleineren Einkommen (1000 Thlr. und darunter) und führte für die höheren Einkommen 
eine klassifizirte Einkommensteuer allgemein ein, und zwar mit der Maßgabe, daß in den 
mahl= und schlachtsteuerpflichtigen Orten jedem Steuerpflichtigen für die gleichzeitig zu entrichtende 
Mahl= und Schlachtsteuer der Betrag von 20 Thlr. in Anrechnung gebracht wurde. Die Klassensteuer 
kam auch fernerhin in den mahl= und schlachtsteuerpflichtigen Städten nicht zur Erhebung und wurde 
erst seit der im J. 1873 erfolgten Aufhebung der Mahl= und Schlachtsteuer allenthalben eingeführt. 
Das G. v. 25/5. 1873 (G. S. S. 213) behielt zwar den Namen der Klassensteuer für die Be- 
steuerung der kleineren Einkommen bis zu 3000 M. bei, bildete aber die Klassen neu nach der Höhe 
des Einkommens, die Einkommen unter 420 M. steuerfrei lassend. Dadurch war die Klassensteuer that- 
sächlich in eine Einkommensteuer verwandelt, die nur im Veranlagungsverfahren von der Einkommen- 
steuer i. e. S. obwich. 
Durch das G. v. 26/3. 1883 (G.S. S. 37) wurden die beiden untersten Stufen der Klassen- 
steuer als Staatssteuer völlig beseitigt, so daß also alle Einkommen bis 900 M. steuerfrei blieben. 
Für die höheren Stufen der Klassensteuer hatte bereits das G. v. 10/3. 1881 (G. S. S. 126) bestimmt, 
daß drei Monatsraten in Wegfall kommen und für die unterste Stufe der Einkommensteuer zwei und 
für die folgende eine Monatsrate außer Hebung zu bleiben haben. 
Zum Abschlusse ist die Gesetzgebung bezüglich der Einkommensteuer gelangt durch das G. v. 
24/6. 1891 (G.S. S. 175), welches die bisherige Klassen= und klassifizirte Einkommensteuer zu einer 
einheitlichen Einkommensteuer verschmolzen, die Selbsteinschätzung eingeführt und das Veranlagungs- 
verfahren und das Rechtsmittel-System wesentlich verändert hat. Dasselbe ist für den ganzen Umfang 
der Monarchie mit Ausschluß der hohenzollern'schen Lande und der Insel Helgoland ergangen. 
II. Die Reformgesetzgebung des Jahres 1893. In 8 80 des Einkommensteuergesetzes 
v. 24/6. 1891 war die Bestimmung ausgenommen worden, daß, wenn die Einnahmen aus der revi- 
dirten Einkommensteuer für das Jahr 1892,93 den Betrag von 80 Millionen Mark und für die fol- 
genden Jahre einen um je vier Prozent erhöhten Betrag übersteigt, die Ueberschüsse nach Maßgabe 
eines zu erlassenden besonderen Gesetzes zur Durchführung der Beseitigung der Grund= und Gebäude- 
steuer als Staatssteuer, bezw. der Ueberweisung an kommunale Verbände verwendet werden sollen. 
Zur Durchführung dieses Planes wurden im November 1892 dem Landtag drei Gesetzentwürfe vor. 
gelegt: 1. der Gesetzentwurf wegen Aufhebung direkter Staatssteuern; 2. der. Entwurf eines Ergänzungs- 
steuergesetzes; 3. der Entwurf eines Kommunalabgabengesetzes. Die drei Gesetzentwürfe wurden, wenn 
auch mit mancherlei Aenderungen im Einzelnen vom Landtage angenommen und am 14/7. 1893 als 
Gesetz wegen Aufhebung direkter Staatssteuern, als Ergänzungssteuergesetz und als Kommunalabgaben- 
gesetz für den gesammten Umfang der Monarchie mit Ausschluß der Insel Helgoland verkündigt (G. S. 
S. 119 ff.) 1). Dieselben treten nach § 30 des Aufhebungsgesetzes am 1. April 1895 in Kraft. 
Die Bedeutung dieser Gesetze liegt darin, daß durch dieselben eine grundsätzliche Scheidung der 
Steuerquellen des Staats und der Gemeinden herbeigeführt worden ist. Die sog. Realsteuern sind 
den Gemeinden überwiesen, die Personalsteuern und namentlich die Einkommensteuer verbleiben dem 
Staate, wenn auch bezüglich der Einkommensteuer die Gemeinde unter gewissen Beschränkungen mit 
dem Staate konkurrirt. Die neu eingeführte Ergänzungssteuer hat den Zweck, die Besteuerung des 
sog. fundirten Einkommens zu ermöglichen und dem Staate einen theilweisen auf 35 Millionen ge- 
schätzten Ersatz für den aus der Ueberweisung der Realsteuern auf etwas über 100 Millionen sich be- 
laufenden Ausfall zu gewähren. 
Das Ergänzungssteuergesetz wird in § 67 und das Kommunalsteuergesetz im V. Buche zu be- 
sprechen sein. Hier ist nur auf den Inhalt des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuer genauer 
einzugehen: 
zus " Aufgehoben sind die verschiedenen in den einzelnen Landestheilen nach Maßgabe der daselbst 
gilligen gesetzlichen Vorschriften bestehenden Bergwerksabgaben (8 2), da die bergbautreibenden 
  
1) Bezüglich der hohen zollern'schen Lande ist in § 29 des Aufhebungs-Gesetzes bestimmt, 
daß die Vorschriften der §§ 1—27 auf diese Lande keine Anwendung finden, die Umgestaltung des 
Systems der direkten Steuern in diesen Landen vielmehr einem besondern Gesetze vorbehalten werde. 
Bis zum Erlasse eines solchen Gesetzes wird für die hohenzollern'schen Lande vom 1/4. 1896 ab ein 
fester Jahresbetrag von 62020 M. aus der Staatskasse überwiesen. Dieser Betrag wird nach den 
Verhältnissen der durch die letztvorangegangene Volkszählung ermittelten Einwohnerzahlen auf die ein- 
zelnen Gemeinden vertheilt, deren Vertretern die Beschlußfassung über die Verwendung zusteht. — Ueber 
die gegenwärtig noch geltende direkte Steuerverfassung in den hohenzollern'schen Landen vgl. § C7a.
	        
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