Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

262 Viertes Buch: Die Finanzverwaltung. II. Kapitel. 8 66a. 
die Provinzen, für die II. Klasse die Regierungsbezirke, für die beiden untersten Klassen die 
Kreise. Berlin bildet für jede Klasse einen Veranlagungsbezirk. Das Veranlagungsgeschäft wird 
für jeden Veranlagungsbezirk durch einen mindestens 6 Mitglieder zählenden Steuerausschuß 
besorgt. In der I. Klasse werden zwei Drittel der Mitglieder dieses Ausschusses aus den Reihen 
der Gewerbetreibenden der Provinz für drei Jahre vom Provinzialausschuß, in Berlin vom 
Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung gewählt, ein Drittel und den Vorsitzenden 
ernennt der Finanzminister. In der II. bis IV. Klasse bilden die Steuerpflichtigen in jedem 
Bezirke je eine besondere Steuergesellschaft, ähnlich wie nach den bisherigen Gewerbesteuerklassen, 
welche Steuergesellschaften die Mitglieder des Steuerausschusses auf drei Jahre wählen. Der 
Staat ist darin durch einen besonderen Kommissar vertreten, der den Vorsitz führt, aber nur 
bei Stimmengleichheit Stimmrecht hat. Die Zutheilung der Steuerpflichtigen in die ver- 
schiedenen Klassen erfolgt durch die Vorsitzenden der Ausschüsse, die Vertheilung der von der 
Steuerklasse insgesammt aufzubringenden Steuersumme unter die einzelnen Mitglieder der 
Steuergesellschaft geschieht sodann durch die Mitglieder der Ausschüsse. 
Gegen das Ergebniß der Veranlagung steht dem Pflichtigen der binnen vier Wochen zu 
erhebenden Einspruch an den Steuerausschuß zu. Die Berufung gegen die Entscheidung des 
Ausschusses über den Einspruch geht an die Bezirksregierung. Beschwerde gegen die Entscheid- 
ung der letzteren kann beim Oberverwaltungsgericht erhoben werden, wenn der Beschwerde- 
führer geltend machen kann, daß die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder 
auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts beruhe oder daß das Verfahren an 
wesentlichen Mängeln leide. 
Eine besondere Belastung hat das Gewerbesteuergesetz in den §§ 59 ff. (ogl. dazu die 
88 12 und 13 des Aufhebungsgesetzes) unter der Bezeichnung Betriebssteuer für Gast- 
wirthschaften, Schankwirthschaften und den Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus einge- 
führt. Diese zahlen neben der Gewerbestener eine nach den Gewerbesteuerklassen abgestufte 
feste Abgabe. Diese beträgt 10 M. für die kleinsten, von der Gewerbesteuer befreiten Betriebe, 
15 M. für die zur IV. Klasse, 25 M. für die zur III. Klasse, 50 M. für die zur II. Klasse, 
100 M. für die zur I. Klasse der Gewerbesteuer eingeschätzten Betriebssteuerpflichtigen. Die 
Abgabe wird bei allen Betrieben, welche geistige Getränke verabfolgen, für jede Betriebsstätte 
besonders erhoben. 
II. Die Besteuerung des Gewerbebetriebs im Umherziehen 0 ist gegenwärtig 
geregelt durch das für die ganze Monarchie mit Ausnahme der Insel Helgoland geltende G. v. 
3/7. 1876 (G. S. S. 247). Nach § 1 d. G. unterliegt der Steuer vom Gewerbebetriebe im 
Umherziehen: Wer außerhalb seines Wohnortes ohne Begründung einer gewerblichen Nieder- 
lassung und ohne vorgängige Bestellung in eigener Person 1. Waaren irgend einer Art mit 
Ausschluß der selbstgewonnenen Erzeugnisse der Land= und Forstwirthschaft, des Garten= und 
Obstbaues, der Jagd und des Fischfangs feilbieten; 2. Waaren irgend einer Art bei anderen 
Personen als bei Kaufleuten oder an anderen Orten als in offenen Verkaufsstellen zum Wieder- 
verkauf ankaufen; 3. Waarenbestellungen aufsuchen; 4. gewerbliche oder künstlerische Leistungen 
oder Schaustellungen, bei welchen ein höheres wissenschaftliches oder Kunstinteresse nicht ob- 
waltet, feilbieten will. Befreit von der Steuer sind gemäß § 2 1. Kaufleute, Fabrikanten 
und andere Personen, welche ein stehendes Gewerbe betreiben, sowie die in deren Diensten 
stehenden Reisenden, welche außerhalb des Ortes ihrer gewerblichen Niederlassung, bezw. der 
gewerblichen Niederlassung ihrer Geschäftsherren a) Waarenbestellungen suchen, wenn sie von 
den Waaren, auf welche sie Bestellungen suchen, nur Proben oder Muster mit sich führen; 
b) Waaren aufkaufen, wenn sie die aufgekauften Waaren nur behufs deren Beförderung nach dem 
Bestimmungsorte mit sich führen; 2. diejenigen, welche ausschließlich im Meß- und Markt- 
1) Lexis, Art. Wandergewerbe und Wanderlager in Stengel's Wörterbuch des Verw. 
Rechts, II, S. 861 ff. 
 
	        
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