Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

268 Viertes Buch: Die Finanzverwaltung. II. Kapitel. § 67. 
Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so kann das Oberverwaltungsgericht die Ange- 
legenheit zu anderweiter Entscheidung an die Berufungskommission zurückweisen oder selbst 
die Steuerfestsetzung berichtigen (§ 47). Ueber Beschwerden, welche das Verfahren des Vor- 
sitzenden der Berufungskommission aus Anlaß der an das Oberverwaltungsgericht eingereichten 
Beschwerden betreffen, entscheidet dieses Gericht (§ 48). — Auf das Verfahren finden die über 
das Verwaltungsstreitverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht bestehenden gesetzlichen Be- 
stimmungen im Allgemeinen sinngemäße Anwendung (6 49). 
Die oberste Leitung des Veranlagungsgeschäfts hat der Finanzminister, welcher auch 
über Beschwerden gegen das Verfahren der Berufungskommissionen und des Vorsitzenden der- 
selben mit Ausnahme der Rechtsmittel zu entscheiden hat (§ 55). 
Vermehrungen oder Verminderungen des Einkommens während des Steuerjahres be- 
gründen nur ausnahmsweise eine Veränderung der bereits erfolgten Veranlagung (§§ 57—61). 
Die Steuer ist vierteljährlich — in der ersten Hälfte des zweiten Monats an die von 
der Steuerbehörde zu bezeichnende Empfangsstelle abzuführen. Einlegung von Rechtsmitteln 
hebt die vorläufige Zahlungsverpflichtung nicht auf. Niederschlagung (durch den Finanz- 
minister, bezw. die von ihm delegirte Behörde) veranlagter Beträge in einzelnen Fällen ist zu- 
lässig, wenn deren zwangsweise Beitreibung die Steuerpflichtigen in ihrer wirthschaftlichen 
Existenz gefährden oder wenn das Beitreibungsverfahren voraussichtlich ohne Erfolg sein würde 
(§§ 62 —64). Strafbestimmungen und Vorschriften bezüglich des Strafverfahrens enthalten die 
§§ 66—67 des G. 
Die Veranlagungs= und Erhebungskosten trägt der Staat, außer in dem Fall, daß der 
Steuerpflichtige solche durch die gelegentlich der Einlegung von Rechtsmitteln erfolgenden Er- 
mittelungen veranlaßt hat und sich seine Angaben in wesentlichen Punkten als unrichtig er- 
weisen (§71). Den Gemeinden (Gutsbezirken) wird als Vergütung für die bei Veranlagung 
der Steuer ihnen übertragenen Geschäfte 2 % der eingegangenen Steuer gewährt. Hinsichtlich 
der örtlichen Erhebung der Steuer verbleibt es bis auf Weiteres bei den bestehenden Be- 
stimmungen mit der Maßgabe, daß die bisher zur örtlichen Erhebung der Klassensteuer ver- 
pflichteten Gemeinden (Gutsbezirke) die Steuer vom Einkommen von nicht mehr als 3000 M. 
zu erheben haben. Diejenigen Gemeinden (Gutsbezirke) welchen die Steuererhebung übertragen 
ist, erhalten für dieselbe eine Vergütung von 2% der Isteinnahme der zu erhebenden Steuern 
(6 73 vgl. auch § 16 Abs. 2 des Aufhebungsgesetzes v. 14/7. 1893)). 
II. Der durch das G. sv. 14/7. 1893 eingeführten Ergänzungssteuer unter- 
liegen 1. die im §1 des Einkommensteuergesetzes v. 24/6.1891 Nr. 1 bis 3 bezeichneten physischen 
Personen nach dem Gesammtwerthe ihres nach § 4 steuerbaren Vermögens; 2. ohne Rücksicht 
auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt alle physischen Personen nach dem Werthe 
a) ihres preußischen Grundbesitzes, b) ihres dem Betriebe der Land= oder Forstwirthschaft ein- 
schließlich der Viehzucht, des Wein-, Obst= und Gartenbaues, dem Betriebe des Bergbaues 
oder eines stehenden Gewerbes in Preußen dienenden Anlage= und Betriebskapitals (§ 2). Be- 
freit von der Ergänzungssteuer sind die gemäß § 3 d. Einkommensteuergesetzes zu Nr. 1 bis 4 
von der Einkommensteuer befreiten Personen mit der Maßgabe, daß die Befreiungen zu Nr. 3 
u. 4 daselbst sich nicht auf das vorstehend unter 2 a u. b bezeichnete Vermögen erstrecken und 
in denjenigen Fällen ausgeschlossen sind, in welchen in den betr. Staaten Gegenseitigkeit nicht 
gewährt wird (§ 3). 
Zur Ergänzungssteuer werden ferner nach § 17 d. G. nicht herangezogen: 1. diejenigen 
Personen, deren steuerbares Vermögen den Gesammtwerth von 6000 M. nicht übersteigt; 
2. diejenigen Personen, deren nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes zu berechnendes 
  
1) Die §§ 82—84 des Einkommensteuer-Gesetzes, welche über die Ueberschüsse der Einkommen- 
steuer über den Betrag von 80 Mill. M. Verfügung trafen, sind jetzt durch § 49 des Ergänzungs- 
steuer-Gesetzes v. 14/7. 1893 aufgehoben. Vgl. unten sub II.
	        
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