Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 74. Staatsverwaltung u. Selbstverwaltung. Geschichtl. Entwickelung d. Selbstverwaltung in Pr. 295 
nicht überschreiten; b) daß durch die Beschlüsse und Maßregeln dieser Organe das öffentliche 
Interesse nicht verletzt, namentlich auch die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der öffent- 
lichen Verwaltung nicht geschädigt wird; ch daß die Verwaltung des Kommunalvermögens 
in wirthschaftlicher Weise erfolge. Damit die staatlichen Aufsichtsbehörden dieses Ziel erreichen 
können, stehen ihnen folgende Befugnisse zu: 1. das Recht der Kenntnißnahme von der Thätig- 
keit der Organe der Selbstverwaltungskörper; 2. das Recht, gewisse Beschlüsse und Wahlen 
der Organe der Selbstverwaltungskörper zu genehmigen oder zu bestätigen; 3. das Recht, Be- 
schlüsse der Organe der Selbstverwaltungskörper wegen Ungesetzlichkeit, Kompetenzüberschreit- 
ung oder auch wegen Verletzung öffentlicher Interessen zu beanstanden oder außer Kraft zu 
setzen; 4. das Recht des Befehls und Zwangs gegenüber den Organen der Selbstverwaltungs- 
körper, um dieselben zu veranlassen, die dem Selbstverwaltungskörper obliegenden Pflichten zu 
erfüllen. Eine besondere Form des Zwangs ist die sog. Zwangsetatisirung, d. h. das Recht der 
Aufsichtsbehörde, in den Haushaltsetat des Selbstverwaltungskörpers gewisse Ausgabeposten 
zur Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten einzusetzen; 5. das Recht der Sistirung der Thätig- 
keit der Organe der Selbstverwaltungskörper; 6. das Recht der Auflösung der die Selbstver- 
waltungskörper vertretenden Versammlungen und Organe. 
II. Das Maß und der Umfang der den Gemeinden und Kommunalverbänden einge- 
räumten Selbstständigkeit und Selbstverwaltung steht im innigsten Zusammenhang mit dem 
gesammten öffentlichen Rechte eines Staates. In Preußen speziell hat sich die Selbstverwalt- 
ung der Gemeinden und Kommunalverbände in engster Verbindung mit der Einrichtung des 
staatlichen Behördensystems entwickelt und demselben in der mittleren und unteren Instanz 
eine eigenthümliche Ausprägung gegeben. Im Anschlusse an die Reform der Organisation der 
Staatsbehörden wurde die Grundlage der Selbstverwaltung wenigstens für die Stadtgemeinden 
durch die St.O. v. 19/11. 1808 geschaffen, welche die Verfassung und Verwaltung der Städte 
entsprechend der veränderten Gewerbegesetzgebung gestaltete und dieselben von der Bevormund- 
ung der Staatsbehörden befreite. Dagegen gelang die Reform der Verfassung und Verwaltung 
der Landgemeinden nicht, für welche nach wie vor in der Hauptsache die Bestimmungen des 
allgemeinen Landrechts maßgebend blieben. Ebenso wenig kam die in Angriff genommene Kreis- 
ordnung zu Stande ). 
Auf Grund des G. v. 5/6. 1823 wegen Anordnung der Provinzialstände ergingen sodann 
für die einzelnen Provinzen Provinzialordnungen, welche die Provinziallandtage nach dem alt- 
ständischen Prinzipe bildeten und die Provinzialverwaltung in der Hauptsache dem Oberpräsi- 
denten übertrugen (vgl. S 8). Ebenso wurden in den Jahren 1825 — 1830 für die einzelnen 
Provinzen besondere Kreisordnungen erlassen, welche die Kreise zu Kommunalverbänden er- 
klärten, deren Vertretung den Kreistagen übertragen wurde. Auf diesen Kreistagen wurde 
jedem Besitzer eines landtagsfähigen Ritterguts eine Virilstimme eingeräumt, während die zum 
Kreise gehörigen Städte und Landgemeinden nur eine verhältnißmäßig geringe Anzahl von 
Vertretern erhielten. 
Was die Ortsgemeinden anlangt, so wurde am 17/3. 1831 die revidirte Städteordnung 
erlassen, ebenso ergingen für Westfalen die G. O. v. 31/10. 1841 für die Landgemeinden und 
für die Rheinprovinz die G.O. v. 23/7. 1845, welche gleichmäßig für Landgemeinden und 
Stadtgemeinden bestimmt war, während in Westfalen für die Städte die revidirte St. O. vom 
17/3. 1831 in Kraft trat. Dagegen blieb im Osten der Monarchie die Landgemeindeverfassung 
unverändert. 
Die Bewegung des Jahres 1848 brachte mit der V. U. v. 5/12. 1848 bezw. 31/1. 1850 
die Beseitigung der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit und Polizei. Gleichzeitig enthielt Art. 105 
  
1) Vgl. E. Meyer, die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg, 
S. 357 ff.
	        
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