296 Fünftes Buch: Die Gemeinden und die Kommunalverbände. 8 74.
V. U. die Grundzüge des zukünftigen Gemeinderechts, welche dann in der freisinnigen
aber auch sehr doktrinären G.O. v. 11/3. 1850 und der auf denselben Anschauungen be-
ruhenden Kreis-, Bezirks= und Provinzialordnung vom gleichen Tage zum Ausdrucke ge-
langten. Durch königlichen Erlaß v. 19/6. 1852 wurde jedoch die Durchführung der nur theil-
weise zur Einführung gelangten Gemeindeordnung und die Einführung der Kreis-, Bezirks-
und Provinzialordnung sistirt. Hierauf wurde durch zwei Gesetze v. 24/5.1853 (G.S. S. 228
u. 238) bestimmt: a) daß der Art. 105 V. U. aufgehoben sei und an dessen Stelle lediglich die
Bestimmung trete, daß die Vertretung der Gemeinden, Kreise und Provinzen durch besondere
Gesetze geregelt werde; b) daß die Gemeindeordnung sowiedie Kreis-, Bezirks= und Provinzialord-
nung v. 11/3.1850 aufgehoben seien und die früheren Gesetze über die Gemeinde-, Kreis= und Pro-
vinzialverfassung wieder in Kraft treten sollten, soweit sie nicht mit der Verfassungsurkunde in
Widerspruch stünden, die betreffenden Materien aber durch besondere Gesetze für die einzelnen
Provinzen neu geregelt werden sollten. Ferner wurde durch das G. v. 14/4. 1856 (G.S.
S. 353) auch die durch Art. 42 V. U. beseitigte gutsherrliche Polizei wieder hergestellt, während
die patrimoniale Gerichtsbarkeit beseitigt blieb.
Die beabsichtigte Neuordnung der Gemeinde-, Kreis= und Provinzialverfassung gelang
zunächst hinsichtlich der Kreis= und Provinzalverfassung nicht; wohl aber wurden neue Städte-
ordnungen für sämmtliche Provinzen erlassen, nämlich die Städteordnung für die sechs
östlichen Provinzen mit Ausnahme von Neuvorpommern und Rügen v. 30/5. 1853, d. G. v.
31/5. 1853 betr. die Verfassung der Städte in Neuvorpommern und Rügen, die Städteord-
nung für die Provinz Westfalen v. 19/3. 1854 und die Städteordnung für die Rheinprovinz
v. 15/5. 1856.
Ebenso wurden neue Landgemeindeordnungen für Westfalen v. 19/3. 1856 und für die
Rheinprovinz v. 15/5. 1856 erlassen, während für die östlichen Provinzen das G. v. 14/4.1856
erging betr. die Landgemeindeverfassung in den östlichen Provinzen der Monarchie (G. S. S.354),
welches übrigens lediglich Bestimmungen über einzelne Gegenstände des Gemeinderechts ent-
hielt, und sich daher nur als eine Novelle zum geltenden Gemeinderecht darstellte, wie dasselbe
namentlich im A.L. R. Thl. II, Tit. 7, 5§ 1 ff. kodifizirt ist.
In den i. J. 1866 mit der Monarchie vereinigten Provinzen wurden die daselbst in
Kraft befindlichen Gemeindeordnungen im Wesentlichen aufrecht erhalten, oder es wurden Ge-
meindegesetze erlassen, welche sich an das frühere Gemeinderecht anschlossen wie das G. v. 14/4.
1869 betr. die Verfassung und Verwaltung der Städte und Flecken der Provinz Schleswig-
Holstein (G. S. S. 569). Ebenso wurde in den hohenzollern'schen Ländern die bisherigen Ge-
meindegesetze beibehalten. 1
In Fluß kam die Reform der Selbstverwaltung erst durch die Kr. O. v. 13/12. 1872
für die Provinzen Preußen, Pommern, Brandenburg, Sachsen und Schlesien, welche neue
Grundlagen für die Kreisverfassung und die kommunale Kreisverwaltung schuf, indem sie die
bevorrechtigte Stellung der Rittergüter beseitigte, so daß jetzt die Kreistage aus den von den
drei Wahlverbänden des großen Grundbesitzes, der Städte und der Landgemeinden gewählten
Vertretern bestehen, indem sie ferner den aus dem Landrathe und sechs gewählten Mitgliedern
bestehenden Kreisausschuß zu einem neuen wichtigen Organ der Kreisverwaltung bestellte und
indem sie endlich die Kreissteuern neu regelte. Ebenso hat die Kr. O. v. 13/12. 1872 unter
Aupfhebung der gutsherrlichen Polizei in den Amtsvorstehern neue Organe für die örtliche Polizei-
verwaltung geschaffen.
Nachdem in dieser Weise eine Neuordnung der Kreisverhältnisse angebahnt war, wurde
auch die Verfassung der soeben erwähnten fünf — bezw. nach der i. J. 1877 (G. v. 19/3. 1877
G. S. S. 107) erfolgten Theilung von Preußen — sechs Provinzen durch die Provinzialord-
nung v. 29/6. 1875 neu geregelt. Nach dieser Provinzialordnung besteht der Provinzialland-
tag, welcher früher nach dem altständischen Prinzipe aus den drei Ständen des Grundadels,