Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 80. Die Landgemeinden u. Gutsbezirke. Die Landgemeindeordnung f. d. 7 östl. Prov. d. Monarchie 2c. 329 
der Ausübung des Stimmrechts, zu welchem der Grundbesitz (§ 45) befähigt, einzutreten hat, 
bezw. eintreten kann. 
Bezüglich der Stimmenvertheilung stellt § 48 den Grundsatz auf, daß der Regel nach 
jedem einzelnen Stimmberechtigten eine Stimme in der Gemeindeversammlung zusteht, daß 
jedoch 1. mindestens zwei Drittel sämmtlicher Stimmen auf die mit Grundbesitz angesessenen 
Mitglieder der Gemeindeversammlung entfallen; 2. denjenigen Besitzern, welche von ihrem im 
Gemeindebezirke belegenen Grundeigenthume einen Jahresbetrag von 20 bis ausschließlich 
50 M. an Grund= und Gebäudesteuer entrichten, je zwei, denjenigen Besitzern, welche von 
ihrem Grundeigenthume einen Jahresbetrag von 50 bis ausschließlich 100 M. entrichten, je drei 
und denjenigen Besitzern, welche 100 M. oder mehr entrichten, je vier Stimmen, den Ge- 
werbetreibenden der dritten Gewerbsteuerklasse aber zwei Stimmen, den Gewerbetreibenden der 
zweiten Gewerbesteuerklasse drei Stimmen und den Gewerbetreibenden der ersten Gewerbe- 
steuerklasse vier Stimmen beizulegen sind. Jedoch darf kein Stimmberechtigter in der Ge- 
meindeversammlung mehr als ein Drittel der Gesammtzahl der Stimmen führen. 
III. Die Gemeindeorgane. A. Die Gemeindeversammlung bezw. Ge- 
meindevertretung. Die Beschlußfassung über die Gemeindeangelegenheiten steht nach § 102 
der Gemeindeversammlung zu, § 49 bestimmt jedoch, daß in denjenigen Landgemeinden, in 
welchen die Zahl der Stimmberechtigten mehr als 40 beträgt, an die Stelle der Gemeinde- 
versammlung eine Gemeindevertretung tritt, welche aus dem Gemeindevorsteher und den 
Schöffen, sowie den gewählten Gemeindeverordneten, deren Zahl mindestens das Dreifache der 
Zuerstgenannten betragen muß, besteht, durch Ortsstatut aber auf höchstens 24 erhöht werden 
kann (§ 49; zu beachten § 49 schlesw.-holst. L.G.O.). 
Die Wahl der Gemeindeverordneten erfolgt nach dem Dreiklassenwahlsysteme mit der 
Maßgabe, daß mindestens 2/8 der Mitglieder der Gemeindevertretung Angesessene (§ 41 Nr. 
Gau. b, § 45) sein müssen. Die Vertheilung der Stimmberechtigten erfolgt nach Maßgabe 
der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern (Gemeinde-, Kreis-, Provinzialsteuern mit 
Ausschluß der Steuer für den Gewerbebetrieb im Umherziehen) (§§ 50—52). Gewisse Per- 
sonen (Beamte, Geistliche, Frauen u. s. w.) sind nicht wählbar (6J 53). Die Gemeindeverord- 
neten werden auf sechs Jahre gewählt; alle zwei Jahre scheidet aus jeder Klasse ein Drittel 
der Gemeindeverordneten aus und wird die Gemeindevertretung durch neue Wahlen ergänzt (654). 
Die genaueren Bestimmungen über die Vornahme der Wahl enthalten die §§ 54—64 
einschließlich. 
Durch königliche Verordnung kann eine Gemeindevertretung aufgelöst werden. Es ist 
sodann binnen sechs Wochen, vom Tage der Auflösungsverordnung ab gerechnet, eine Neuwahl 
anzuordnen. Bis zur Einführung der neugewählten Gemeindeverordneten beschließt an Stelle 
der Gemeindevertretung der Kreisausschuß (8 142). 
B. Der Gemeindevorsteher. An der Spitze der Verwaltung der Landgemeinde steht 
der Gemeindevorsteher (Schulze, Scholze, Richter, Dorfrichter bezw. Lehnsmann in Schleswig- 
Holstein). Dem Gemeindevorsteher stehen zwei Schöffen (Schöffen, Gerichtsmänner) bezw. in 
Schleswig-Holstein ein Stellvertreter zur Seite. Durch Ortsstatut kann die Zahl der Schöffen 
bezw. Stellvertreter auf höchstens sechs erhöht werden. In größeren Gemeinden kann durch 
Ortsstatut ein aus Gemeindevorsteher und Schöffen, bezw. Stellvertreter, bestehender 
kollegialischer Gemeindevorstand eingeführt werden (§ 74). 
Der Gemeindevorsteher und die Schöffen werden von der Gemeindeversammlung (Ge- 
meindevertretung) aus der Zahl der Gemeindeglieder (val. jedoch bezüglich der besoldeten Ge- 
meindevorsteher § 75 Abs. 2) auf sechs Jahre gewählt und bedürfen der Bestätigung durch den 
Landrath, die nur unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt werden kann (§§ 75—85)1). 
1) Vgl. über die Entschädigung der Gemeindevorsteher und Schöffen und die Aufhebung der 
fortlaufenden Geld= und Naturalbeiträge des Gutsherrn zur Remuneration des Gemeindevorstehers 
 
	        
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