Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

330 Fünftes Buch: Die Gemeinden und die Kommunalverbände. I. Kapitel. § 80. 
Der Gemeindevorsteher ist nach § 88 die Obrigkeit der Landgemeinde und führt deren 
Verwaltung; er führt in der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) den Vorsitz mit vollem 
Stimmrechte. Hat die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) einen Beschluß gefaßt, der 
nach Ansicht des Gemeindevorstehers das Gemeinwohl oder das Gemeindeinteresse verletzt, so ist 
der Gemeindevorsteher verpflichtet, die Ausführung des Beschlusses auszusetzen und wenn die Ge- 
meindeversammlung (Gemeindevertretung) bei nochmaliger Berathung bei ihrem Beschlusse be- 
harrt, innerhalb zwei Wochen die Entscheidung des Kreisausschusses einzuholen. Wo ein kolle- 
gialischer Gemeindevorstand eingesetzt ist, können demselben die in den §§ 9, 51, 71, 88 Nr. 2 
bis 4 und 8, §§ 119, 120 erwähnten Befugnisse durch Ortsstatut übertragen werden (8 89). 
Der Gemeindevorsteher ist, insoferne er nicht zugleich das Amtsvorsteheramt bekleidet, 
das Organ des Amtsvorstehers für die Polizeiverwaltung. Im gleichen Verhältnisse steht der 
Gemeindevorsteher in der Provinz Posen zum Distriktskommissarius. Der Gemeindevor- 
steher hat vermöge dessen das Recht und die Pflicht, da wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, 
Ordnung und Sicherheit ein sofortiges polizeiliches Einschreiten nothwendig macht, das dazu 
Erforderliche anzuordnen und ausführen zu lassen. Insbesondere hat er das Recht und die 
Pflicht, 1. der vorläufigen Festnahme und Verwahrung einer Person nach den Vorschriften des 
§ 127 Str. Pr. O. und des § 6 G. v. 12/2. 1850; 2. die unter Polizeiaufsicht stehenden Per- 
sonen zu beaufsichtigen; 3. die ihm vom Amtsvorsteher (Distriktskommissarius) der Staats- 
oder Anwaltschaft aufgetragenen polizeilichen Maßregeln auszuführen und Verhandlungen auf- 
zunehmen; 4. die vorgeschriebenen Meldungen über neu anziehende Personen entgegen zu 
nehmen (§§ 90, 91). 
C. Besoldete Gemeindebeamtet!9). Die Landgemeinden sind befugt, die Anstellung 
besoldeter Gemeindebeamten für einzelne Dienstzweige oder Dienstverrichtungen zu beschließen. 
Ueber die Gehalts= und Pensionsverhältnisse dieser Beamten kann durch Ortsstatut Bestimmung 
getroffen werden. Auf Antrag der Betheiligten beschließt der Kreisausschuß über die Festsetzung 
der Besoldungen und sonstigen Dienstbezüge der Gemeindebeamten, ebenso beschließt er über 
streitige Pensionsansprüche derselben, und zwar soweit sich der Beschluß darauf erstreckt, welcher 
Theil des Diensteinkommens bei Feststellung des Pensionsanspruches als Gehalt anzusehen ist, 
vorbehaltlich der den Betheiligten gegen einander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitver- 
fahren, im Uebrigen vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges. Der Beschluß ist vorläufig 
vollstreckbar (66 117, 118, vgl. insbesondere § 117 Abs. 2 schlesw.-holst. L.G.O.) 
IV. Geschäfte der Gemeindeversammlung und Gemeindevertretung. Die 
Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) hat über alle Gemeindeangelegenheiten zu be- 
schließen, soweit diese nicht durch das Gesetz dem Gemeindevorsteher (Gemeindevorstand) aus- 
schließlich überwiesen sind (vugl. z. B. § 86). Ueber andere Angelegenheiten darf die Gemeinde- 
versammlung (Gemeindevetretung) nur dann berathen, wenn solche durch besondere Gesetze 
oder in einzelnen Fällen durch Aufträge der Aufsichtsbehörde an sie gewiesen sind. 
Wo eine Gemeindevertretung besteht, sind die Gemeindeverordneten an keinerlei In- 
struktion oder Aufträge der Wähler gebunden. Die Gemeindeversammlung (Gemeindever- 
tretung) überwacht die Verwaltung sie ist berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse, 
von dem Eingange und der Verwendung aller Einnahmen der Gemeindekasse, sowie von der 
  
§§ 86 und 87 und über die Aufhebung der mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbundenen Be- 
rechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzenamtes §§ 92 ff. L.G.O. v. 3/7. 1891. 
1) Vgl. G. betr. die Besetzung der Subaltern= und Unterbeamtenstellen in der Verwaltung der 
Kommunalverbände mit Militäranwärtern v. 1/7. 1892 (G. S. S. S. 214). Nach § 1 dieses Gesetzes sind 
die Subaltern= und Unterbeamtenstellen in der Verwaltung der Kommunalverbände ausschließlich der 
Forstverwaltung mit Militäranwärtern zu besetzen. In denjenigen Landgemeinden und ländlichen 
Kommunalverbänden, welche weniger als 1500 Emwohner haben, gilt dies jedoch nur bezüglich der 
Kriegsinvaliden und nur dann, wenn es durch kgl. Verordnung vorgeschrieben wird.
	        
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