Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

336 Fünftes Buch: Die Gemeinden und die Kommunalverbände. I. Kapitel. 8 BI. 
der Gutsbesitzer nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte, oder ist er in Konkurs verfallen, 
so kann der Landrath unter Zustimmung des Kreisausschusses die Ernennung des Stellver- 
treters auf Kosten des Besitzers vornehmen (§§ 126, 127). 
II. Gemeindever bände. Nach § 128 LGO. können Landgemeinden mit nachbarlich 
belegenen Landgemeinden oder Gutsbezirken zur Wahrnehmung einzelner kommunaler Ange- 
legenheiten nach Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer durch Beschluß des 
Kreisausschusses verbunden werden, wenn die Betheiligten damit einverstanden sind. Ist ein 
Einverständniß der Betheiligten nicht zu erzielen, so kann, soferne das öffentliche Interesse es 
erheischt, die Bildung eines solchen Verbandes durch den Oberpräsidenten erfolgen, nachdem 
die Zustimmung der Betheiligten im Beschlußverfahren durch den Kreisausschuß ersetzt worden 
ist. (Bezüglich der Veränderung und Auflösung der Verbände vgl. § 124 Abs. 3.) Bei der 
Bildung dieser Verbände ist auf die sonst bestehenden Verbände (Amtsbezirke, Kirchspiele, Schul-, 
Wegebau-, Armenverbände u. s. w.) thunlichst Rücksicht zu nehmen. Auf ihren Antrag können 
diese Verbände mit königlicher Genehmigung die Rechte öffentlicher Körperschaften beigelegt 
werden (8 129)1). 
Die nach Maßgabe des § 128 gebildeten Verbände sind berechtigt, die Ausführung der 
in ihrem gemeinsamen Interesse liegenden Maßnahmen und Veranstaltungen auf gemeinsame 
Kosten zu beschließen. Sie bilden in den Fällen, wo die Fürsorge für die öffentliche Armen- 
pflege von ihnen übernommen oder ihnen auferlegt wird, Gesammtarmenverbände im Sinne 
des § 12 d. G. v. 8/3. 1871. Auf die bereits bestehenden Gesammtarmenverbände finden die 
Bestimmungen dieses Titels der LGO. fortan sinngemäße Anwendung. 
Im Uebrigen werden die Rechtsverhältnisse der Verbände durch ein Statut geregelt, 
welches von den Betheiligten im Wege freier Vereinbarung festzustellen ist, einen bestimmten 
Inhalt haben muß, der Bestätigung des Kreisausschusses unterliegt und durch das Regierungs- 
blatt und das Kreisblatt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen ist (68 131, 132). 
Verbandsvorsteher können nur solche Personen sein, bei welchen die Voraussetzungen 
zur Uebernahme des Amtes als Gemeinde= und Gutsvorsteher vorliegen. Vertreter von Ge- 
meinden können nur die zur Uebernahme des Amtes als Gemeindeverordneter in denselben be- 
fähigten Personen sein. Selbstständige Gutsbezirke werden durch den Besitzer des Gutes, im 
Falle des § 124 Z. 1, 2 u. 4 und § 126 durch dessen Stellvertreter vertreten (§ 133). 
Die Wahl des Verbandsvorstehers bedarf, wenn der Gewählte nicht zugleich Gemeinde-, 
Guts= oder Amtsvorsteher ist, der Bestätigung durch den Landrath (8 134). 
Den einzelnen Gemeinden bleibt die Aufbringung ihrer Antheile an den gemeinsamen 
Ausgaben nach Maßgabe ihrer Verfassung überlassen (8§ 135). 
. Kommt ein Statut durch freie Vereinbarung nicht zu Stande, so ist dasselbe nach An- 
hörung der letzteren durch den Kreisausschuß nach gewissen im Gesetze aufgeführten Grund- 
sätzen festzustellen (§ 137). 
Die Bestimmungen der §§ 128— 137 finden auch auf die Verbindung von Landge- 
meinden oder Gutsbezirken mit Stadtgemeinden sinngemäße Anwendung mit den Maßgaben, 
daß an die Stelle des Kreisausschusses der Bezirksausschuß, an die Stelle des Landraths der 
Regierungspräsident tritt und daß die Vertretung der Stadtgemeinden in den Verbandsaus- 
schüssen durch den Bürgermeister, den Beigeordneten (zweiten Bürgermeister), sonstige Magi- 
ratsmitglieder und nöthigenfalls durch andere, von der Stadtgemeinde zu wählende Abgeord- 
nete erfolgt (§ 138) . 
  
1) Gemäß § 130 beschließt über die in Folge einer solchen Verbindung oder in Folge einer 
Aenderung der Zusammensetzung oder einer Auflösung der Verbände nothwendig werdende Regelung der 
Verhältnisse der Kreisausschuß vorbehaltlich der denselben gegen einander zustehenden Klage im Ver- 
waltungsstreitverfahren. 
2) Bezüglich der Beschwerden und Einsprüche in Verbandsangelegenheiten vgl. § 136 LGO.
	        
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