Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8g 82. Die Landgemeindeverfassung in Westfalen, der Rheinprovinz und Hannover. 341 
Jeder Ort, der für seine Kommunalbedürfnisse einen eigenen Haushalt hat, bildet eine 
Gemeinde unter einem Gemeindevorsteher 1). Ueber die Vereinigung bisher kommunalfreier 
Grundstücke mit einer Gemeinde beschließt der Kreisausschuß nach Anhörung des Gemeinde- 
raths, während andere Bezirksveränderungen unter Genehmigung des Königs nach Anhörung 
der zur Ausübung des Gemeinderechtes befugten Gemeindeglieder erfolgen können (G.O. 8§ 1, 
2, 4, 6 Z. G. § 25). 
Statuten, über welche die Gemeinderäthe, bezw. Bürgermeistereiversammlungen zu be- 
schließen haben, läßt § 11 der G.O. für eigenthümliche Verhältnisse einzelner Gemeinden oder 
Landestheile zu. Dieselben bedürfen der Genehmigung des Kreisausschusses (Z.G. § 31). 
Gemeindeangehörige sind alle Einwohner des Gemeindebezirkes und die sonstigen Ge- 
meindemitglieder. Gemeindemitglieder sind 1. alle selbstständigen Einwohner mit Ausnahme 
der servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes, 2. alle mit einem Wohnhaus 
in der Gemeinde angesessenen und 3. diejenigen Personen, die das Gemeinderecht besonders er- 
langt haben. Das Gemeinderecht, d. h. das Recht der Theilnahme an den öffentlichen Ange- 
legenheiten der Gemeinde besitzen nur diejenigen Gemeindemitglieder (Meistbeerbte), welche 
I. preuß. Unterthanen und selbstständig sind und II. seit einem Jahre 1. keine Armenunter- 
stützung aus öffentlichen Mitteln empfangen, 2. die sie betreffenden Gemeindeabgaben bezahlt 
haben, und 3. entweder in dem Gemeindebezirke mit einem Wohnhaus angesessen sind und einen 
gewissen Mindestbetrag an Grund= und Gebäudesteuer entrichten, oder ihren Wohnsitz im Ge- 
meindebezirke haben und außerdem entweder zur Einkommen= oder mit mindestens 6 M. zur 
Klassensteuer veranlagt sind. Zur Ausübung des Gemeinderechtes sind nur die männlichen, 
mindestens 24 Jahre alten Meistbeerbten befugt, und solche im Besitze der vorgenannten per- 
sönlichen Eigenschaften befindliche Forensen, — im Gemeindebezirke nicht mit einem Wohn- 
hause angesessene Grundeigenthümer — denen dasselbe vom Gemeinderathe verliehen ist (G.O. 
§§ 12, 15. 33—43, Nov. Art. 11 u. 12, Z.G. 88 27, 28). 
II. Die Organe der Gemeindeverwaltung sind der Gemeinde= oder Schöffenrath, der 
Gemeindevorsteher und der Bürgermeister (G.O. 8 44). 
Der Gemeinderath besteht dort, wo nicht mehr als 18 zur Ausübung des Gemeinde- 
rechtes befähigte Gemeindeglieder vorhanden sind, aus diesen sämmtlich, wo mehr aus 6, 12, 
18, 24 oder 30 gewählten Gemeindeverordneten, je nach der Einwohnerzahl; in Landgemeinden 
treten zu den gewählten Gemeindeverordneten noch hinzu die im Gemeindebezirk mit einem 
Wohnhaus angesessenen meistbegüterten Grundeigenthümer, die von ihrem im Gemeindebezirke 
belegenen Grundbesitz mindestens 150 M. Grund= und Gebäudesteuer zahlen und die persön- 
lichen Erfordernisse für die Ausübung des Gemeinderechtes besitzen. 
Die Wahlen der Gemeindeverordneten erfolgen durch die zur Ausübung des Gemeinde- 
rechtes befähigten Gemeindeglieder mit Ausnahme der soeben erwähnten virilstimmberechtigten 
auf sechs Jahre mit Ausscheiden je der Hälfte von drei zu drei Jahren nach dem Dreiklassen- 
wahlsystem, dem aber nur die staatliche Grund-, Gebäude-, Klassen= und Einkommensteuer zu 
Grunde gelegt wird, wobei die Steuern der virilstimmberechtigten Gemeindeglieder außer An- 
satz bleiben, dagegen die mit dem Gemeinderechte aus besonderem Vertrauen beliehenen Forensen, 
ohne daß ihre Steuern in Anrechnung kommen, der ersten Klasse zugezählt werden. Gewisse 
Personen (Beamte, Geistliche, Kirchendiener, Elementarlehrer u. s. w.) sind nicht wählbar. 
Mindestens die Hälfte der Gemeindeverordneten muß, sofern nicht wegen besonderer örtlicher 
Verhältnisse der Kreisausschuß eine Ausnahme hievon gestattet, aus Grundbesitzern bestehen 
(G.O. 8§ 45 — 48, Nov. Art. 12, rhein. Kr. O. § 29, Z.G. 8§ 27, 28). 
Die Gemeindevorsteher und deren Stellvertreter werden von der Gemeindevertretung 
aus der Zahl der stimmberechtigten Gemeindemitglieder auf sechs Jahre mit absoluter Stimmen- 
  
1) Selbstständige Gutsbezirke kennt die rhein. Gemeindeordnung nicht.
	        
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