8 82. Die Landgemeindeverfassung in Westfalen, der Rheinprovinz und Hannover. 345
Die gewählten Gemeindevorsteher und Beigeordneten, sowie in der Regel die Ange—
stellten und Diener der Gemeinde bedürfen der Bestätigung durch den Landrath, die nur unter
Zustimmung des Kreisausschusses versagt werden kann. Es ist sodann eine Neuwahl anzuord-
nen; erhält auch diese die Bestätigung nicht oder kommt überhaupt keine Wahl zu Stande, so
ernennt der Landrath unter Zustimmung des Kreisausschusses einen Stellvertreter, bis eine
erneute Wahl die Bestätigung erlangt hat (§ 26 Gem.G., § 31 hann. Kr.O.).
In der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten ist grundsätzlich der Gemeindevor-
steher als Obrigkeit der Gemeinde das zuständige Organ; in gewissen Fällen hat er jedoch die
Beschlußfassung der Gemeindeversammlung oder des Gemeindeausschusses einzuholen. Ebenso
bedürfen Beschlüsse über Gemeindebezirksveränderungen, Verfassung, Strafen, Vermögens-
veräußerungen, Anleihen, Abgaben und Gemeinderechnungsführung der Bestätigung des Kreis-
ausschusses; zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von Sachen von besonderem
wissenschaftlichen oder Kunstwerth ist jedoch die Erlaubniß des Regierungspräsidenten erforder-
lich (§§ 40, 41, 42 Gem.G., § 30 Z.G.).
Der Gemeindevorsteher ist Organ des Landrathes für die demselben zustehende (örtliche)
Polizeiverwaltung. In Folge dessen hat er das Recht und die Pflicht, da wo die Erhaltung
der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ein sofortiges polizeiliches Einschreiten noth-
wendig macht, vorzugehen. Einzelne Zweige der Ortspolizei sind dem Gemeindevorsteher un-
mittelbar übertragen und zwar in umfassenderem Maße wie in den östlichen Provinzen, da in
Hannover die Institution der Amtsvorsteher nicht besteht (hann. Kr. O. §§ 34, 35).
III. Bestimmungen über die Vermögensverwaltung enthält die Ministerial-Bekannt-
machung, betreffend die Regelung der Verhältnisse der Landgemeinden v. 28/4. 1859 8§§ 38ff.
Die Verwaltung führt der Vorsteher, sofern nicht ein besonderer Rechnungsführer angestellt
ist. Die Aufstellung eines von der Gemeindeversammlung oder dem Ausschuß festzustellenden
Etats kann bei erheblicheren Einnahmen oder Ausgaben vom Landrath angeordnet werden.
Ist ein Etat aufgestellt, so bedürfen die außeretatsmäßigen, andernfalls alle hinsichtlich der
Verpflichtung oder des Maßes nicht feststehenden Ausgaben der Genehmigung der Gemeinde-
versammlung bezw. des Ausschusses. Die Jahresrechnung ist binnen acht Wochen nach Ablauf
des Rechnungsjahres zu legen; sie wird von einer hierzu aus Mitgliedern der Gemeinde-
versammlung bezw. des Ausschusses gewählten Kommission geprüft, dann mit den Erinnerun-
gen ausgelegt und schließlich mit Belegen binnen einem halben Jahre nach Ablauf des Rech-
nungsjahres dem Landrath eingereicht, der eine Superrevision der Rechnung vorzunehmen hat,
wenn die Gemeindeversammlung oder der Ausschuß darauf anträgt.
Zur Deckung der Gemeindebedürfnisse dient zunächst das Gemeindevermögen; soweit
dessen Erträgnisse nicht ausreichen, muß jedes Mitglied der Gemeinde und jedes zu derselben
gehörige Haus oder Grundstück zu den Gemeindelasten nach dem herkömmlichen oder sonst
giltig bestehenden Fuße beitragen, doch kann durch Beschluß der Gemeindeversammlung bezw.
des Gemeindeausschusses unter Genehmigung der Aufsichtsbehörde (Z. G. S 31) eine Abänderung
des bestehenden Steuerfußes herbeigeführt werden. Bei Aenderungen oder Neufestsetzungen
des Beitragsfußes ist derselbe sowohl für Steuern, wie für Dienste, welche zu diesem Zwecke
in Geld anzuschlagen sind, nach den direkten Staatssteuern zu bestimmen, jedoch ist die Grund-
steuer für größere Güter und unbebaute Grundstücke, die Klassensteuer für Angestellte (vgl. V.
v. 23/9. 1867 f. § 83) und in den unteren Klassen steuernde Gewerbetreibende nur in ermä-
ßigtem Betrage in Ansatz zu bringen. Nicht zugelassen sind in der Regel neue Konsumtions=
und Gewerbeabgaben. Dagegen sind Abgaben von Schankwirthschaften und öffentlichen Tanz-
gesellschaften, sowie Hundesteuern (Erlaß des hann. Minist. v. /9. 1865, G. v. 23/3. 1873,
G. S. 107 und M.E. v. 14/4. 1886) zulässig.
IV. Selbstständige Gutsbezirke und Sammtgemeinden. 1. Selbstständige
Gutsbezirke sind nach dem G. v. 28/4. 1859 wegen Abänderung des §12 des Verfassungs-G.