Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 85. Die Verfassung der Kreisverbände. 361 
Mascher, Das Institut der Landräthe, 1868, Anhang.) Diese Instruktion enthält in 56 Para- 
graphen Vorschriften über die Qualifikation und die persönlichen Verhältnisse der Landräthe, 
ihren Geschäftskreis und ihre Gehilfen u. s. w. 
Hinsichtlich des Geschäftskreises ist in § 11 bestimmt, daß derselbe ausschließlich alle 
Gegenstände umfaßt, welche von der ersten Abtheilung der Regierung ressortiren, insoweit als 
solche in besonderer Beziehung auf den dem Landrath anvertrauten Kreis stehen, namentlich 
alle allgemeinen Verwaltungs-, Landespolizei= und Militärsachen, vom Geschäftskreise der 
(damaligen) zweiten (Finanz-) Abtheilung aber alle Gegenstände, welche ihm von derselben zu- 
gewiesen werden, oder nach schon bestehenden oder noch ergehenden Verordnungen bereits über- 
tragen sind, bezw. übertragen werden, namentlich die Gewerbeangelegenheiten im weitesten 
Sinne, die Aufsicht und Kontrolle über das Regalien= und Abgabewesen und die Kuratel über 
die Kreiskassen. 
In § 16 der Instruktion ist ferner angeordnet, daß der Landrat in seinen allgemeinen 
Dienstverhältnissen unter der Bezirksregierung nach Verschiedenheit der den beiden Abtheilungen 
anvertrauten Verwaltungszweige steht und daß er von der Regierung allein Verfügungen zu 
erhalten und an dieselbe seine Berichte zu erstatten habe. 
Nach dieser Instruktion, im Zusammenhalte mit der V. v. 30/4. 1815 und den älteren 
in dieser Beziehung ergangenen Vorschriften, stellten sich die Landräthe als die vom Könige er- 
nannten Organe und Kommissarien der Regierungen zur Vollziehung ihrer Verfügungen, so- 
wie als Inhaber der verwaltenden, wie exekutiven Polizei im Kreise dar, soweit dieselbe nicht 
den städtischen Verwaltungen und Gutsobrigkeiten übertragen war. Andererseits erschienen 
aber die Landräthe nach der geschichtlichen Bedeutung ihres Amtes, welches ursprünglich stän- 
dischen Charakter gehabt hatte, als Vermittler zwischen dem Staate und den Vertretern der 
Kreiseingesessenen; sie leiteteten die kommunale Kreisverwaltung, beriefen den Kreistag, führten 
auf demselben den Vorsitz und brachten die gefaßten Beschlüsse desselben zur Ausführung. 
War sonach durch die erwähnten Bestimmungen die staatliche Kreisverwaltung wenig- 
stens vorläufig organisirt, so gelang es endlich auch im dritten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts, 
eine Reform der kommunalen Kreisverfassung und -verwaltung zu Stande zu bringen. 
Nachdem nämlich auf Grundlage des Gesetzes wegen Anordnung der Provinzialstände 
v. 5/6. 1823 die Verfassung und Verwaltung der Provinzialverbände geordnet war, wurden 
in der Zeit von 1825 bis 1828 eine Anzahl von Gesetzen erlassen, durch welche die Verfassung 
und Verwaltung der Kreise in sämmtlichen Provinzen geregelt bezw. reformirt wurde. Der 
Inhalt dieser Kreisordnungen — jede Provinz erhielt ihre besondere Kreisordnung — ging, 
was die Zusammensetzung der Kreisversammlungen (Kreistage) anlangt, dahin, daß jeder Be- 
sitzer eines landtagsfähigen Rittergutes Mitglied des Kreistages mit Virilstimmrecht war, wäh- 
rend die im Kreise gelegenen Städte und die Landgemeinden nur durch eine verhältnißmäßig 
geringe Zahl von Deputirten vertreten waren. Die Kreistage, deren Bezirke mit den land- 
räthlichen Kreisen zusammenfielen, vertraten die Kreiskorporation in allen den ganzen Kreis 
betreffenden Angelegenheiten; insbesondere stand ihnen nach Maßgabe der erwähnten Kreis- 
ordnungen und einzelner späterer Gesetze auch das Recht zu Ausgaben im Interesse des Kreises 
zu beschließen und zur Deckung derselben Kreissteuern nach einem von ihnen selbst festzusetzen- 
den Steuerfuße erheben zu lassen. Die Kreistage wurden durch den Landrat berufen, verhan- 
delten unter dessen Vorsitz gemeinschaftlich und faßten ihre Beschlüsse nach einfacher Majorität. 
Glaubte sich jedoch ein ganzer Stand durch einen Beschluß in seinen Interessen verletzt, so 
stand ihm mittelst Separatvotums der Rekurs an diejenige Behörde zu, welche in der Ange- 
legenheit zu entscheiden hatte. 
Die durch die vorerwähnten Gesetze geschaffene, im Wesentlichen auf altständischem 
Prinzipe beruhende Kreisverfassung stand vielfach mit den veränderten wirthschaftlichen und 
sozialen Verhältnissen nicht im Einklange. Es ist daher begreiflich, daß die auf ganz anderer
	        
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