85. Die Verfassung der Kreisverbände. 365
rathes, vonden städtischen Behörden nach Maßgabe der Vorschriften der betreffenden Städteordnung
wahrgenommen. Was aber die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung anlangt, so tritt
hier an die Stelle des Kreisausschusses der Stadtausschuß (§ 37 L.V. G.) 1). Diejenigen Städte,
welche nicht eigene Stadtkreise bilden, sind den betreffenden Landkreisen einverleibt; Städte,
welche mit Ausschluß der aktiven Militärpersonen eine Einwohnerzahl von einem gewissen
Mindestbetrage — die einzelnen Kreisordnungen schwanken zwischen 25— 40000 Einwohnern
— haben, sind jedoch befugt, aus dem bisherigen Kreisverbande auszuscheiden und für sich
einen Stadtkreis zu bilden. Städten mit geringerer Einwohnerzahl kann das Ausscheiden aus
dem bisherigen Kreisverbande und die Bildung eines eigenen Kreisverbandes gestattet werden.
Die Ausscheidungserklärung erfolgt im ersteren Falle durch den Minister des Innern auf An-
trag der Stadt, im zweiten Falle durch königliche Verordnung nach Anhörung des Provinzial-
Landtages.
III. Die Kreisangehörigen (§88 6—9 sämmtl. Kr. OO.). Angehörige des Kreises
sind, mit Ausnahme der nicht angesessenen servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienst-
standes alle diejenigen, welche innerhalb des Kreises ihren Wohnsitz haben (Kr. O. § 0).
Die Rechte der Kreisangehörigen bestehen a) in der Theilnahme an der Verwaltung
und Vertretung des Kreises, wozu namentlich das aktive und passive Wahlrecht gehört; b) in
der Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Kreises (Kr. O. 8 7).
Die Pflichten der Kreisangehörigen sind: a) die Verpflichtung, unbesoldete Aemter in
der Verwaltung und Vertretung des Kreises auf die Dauer von mindestens drei Jahre anzu-
nehmen. Im Falle ungenügender Weigerung kann Verlustigungerklärung des Rechtes der Theil-
nahme an der Vertretung und Verwaltung des Kreises und stärkere Heranziehung zu den Kreis-
abgaben durch den Kreistag beschlossen werden (Kr. O. § 8). Zu den unbesoldeten Aemtern in
der Verwaltung und Vertretung des Kreises sind zu rechnen: das Gemeindevorsteher= und
Schöffenamt, das Amt des Amtsvorstehers und Kreisdeputirten, das Amt eines Mitgliedes
des Kreistages, des Kreisausschusses, einer Kreiskommission oder eines Amtsausschusses; nicht
dagegen das Amt eines Gutsvorstehers. b) Die Verpflichtung zur Zahlung von Kreisabgaben
(Kr. O. 8§ 9). Dieser Pflicht unterliegen auch die sog. Forensen, d. h. diejenigen Personen,
welche dem Kreise nicht durch Wohnsitz, sondern nur durch Besitz von Grundeigenthum oder
Betrieb eines stehenden Gewerbes, bzw. des Bergbaues angehören, ferner die juristischen Per-
sonen, Aktiengesellschaften und Bergwerkschaften im Kreise (Kr. O. 88 10 ff. [s. 8 86 II.).
IV. Die Kreisvertretung; der Kreistag (a. Kr. O. 88 84—114; hann. Kr.O.
88 40 71; hess.-nass. Kr. O. 5§ 41—72; westf. Kr. O. 8§ 33—59; rhein. Kr. O. 58 33—59;
schlesw.-holst. Kr. O. SS70101). A. Zusammensetzung und Bildung desselben. Der
Kreistag besteht ausschließlich aus gewählten Mitgliedern; die Zahl derselben beträgt je nach den
verschiedenen Provinzen mindestens 20 oder 25 und steigt mit der Einwohnerzahl. Die Wahl
erfolgt in drei Wahlverbänden: a) der größeren ländlichen Gutsbesitzer; dieser Wahlverband
besteht aus allen denjenigen zur Zahlung von Kreisabgaben verpflichteten Grundbesitzern mit
Einschluß der juristischen Personen (auch des Fiskus), Aktiengesellschaften und Kommandit-
Aktiengesellschaften, welche von ihrem auf dem platten Lande — also nicht zu den städtischen
Gemeindebezirken gehörigen — innerhalb des Kreises belegenen Grundeigenthume einen nach
den Provinzen verschiedenen Mindestbetrag an Grund= und Gebäudesteuer entrichten, bezw. zu
entrichten haben würden, wenn sie nach Maßgabe des G. v. 21/5. 1861 zur Grund= bezw.
Gebäudesteuer veranlagt wären. Diesem Wahlverbande treten diejenigen Gewerbetreibenden
und Bergwerksbesitzer hinzu, welche wegen ihrer auf dem platten Lande innerhalb des Kreises
betriebenen gewerblichen Unternehmungen in der Klasse Al der Gewerbesteuer mit dem Mittel-
satze veranlagt sind. b) Der Landgemeinden — in Westfalen der Amtsverbände, in der Nhein-
1) Bezüglich des Stadtkreises Altona vgl. schlesw.-holst. Kr. O. 8§ 134 ff.