382 Fünftes Buch: Die Gemeinden und die Kommunalverbände. III. Kapitel. § 87.
die Vornahme der Wahlen, welche der Oberpräsident anordnet, wird nach einem der Provinzial-
ordnung beigegebenen Wahlreglement vollzogen. Wählbar zum Mitgliede des Provinzial-
landtages ist jeder selbstständige Angehörige des deutschen Reiches, welcher das 30. Lebensjahr
vollendet hat, sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindet und seit mindestens einem
Jahre der Provinz durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehört.
Gegen das stattgehabte Wahlverfahren kann jedes Mitglied der Wahlversammlung inner-
halb zweier Wochen Einspruch beim Vorsitzenden des Wahlvorstandes erheben. Die Beschluß-
fassung über diesen Einspruch erfolgt durch den Provinziallandtag, welcher im übrigen die
Legitimation seiner Mitglieder von Amts wegen zu prüfen hat. Gegen den Beschluß des Pro-
vinziallandtages findet Klage beim Oberverwaltungsgerichte statt. In Hessen-Nassau treten
die Kommunallandtage der beiden Bezirksverbände, welche aus Abgeordneten der Land= und
Stadtkreise der Regierungsbezirke bestehen, an die Stelle der Provinziallandtage der übrigen
Provinzen (hess.-nass. Pr. O. 88 7—21; daneben besteht jedoch noch ein Provinziallandtag,
welcher den Provinzialverband zu vertreten hat; derselbe besteht aus den Mitgliedern der bei-
den Kommunallandtage (8§ 86 a. a. O.).
Was die Zuständigkeit des Provinziallandtages anlangt, so ist derselbe berufen:
1. über diejenigen die Provinz betreffenden Gesetzentwürfe, sowie die sonstigen Gegenstände
sein Gutachten abzugeben, welche ihm zu dem Ende von der Staatsregierung überwiesen wer-
den; 2. den Provinzialverband zu vertreten und über die Angelegenheiten desselben, sowie
über diejenigen Angelegenheiten zu berathen und zu beschließen, welche ihm durch Gesetz oder
königliche Verordnung überwiesen sind oder in Zukunft durch Gesetz überwiesen werden. Der
Provinziallandtag hat also nicht das Recht, die Zuständigkeit des Provinzialverbandes eigen-
mächtig auszudehnen (vgl. jedoch § 37 a. Pr. O. und hierzu Stengel a. a. O. S. 289 Note 1).
Der Wirkungskreis der Provinzialverbände umfaßt hiernach: a) Diejenigen Angelegen-
heiten, welche dieselben als Rechtsnachfolger der früheren provinzialständischen und kommunal=
ständischen Verbände übernommrn haben, wie die Verwaltung der früher von diesen Verbänden
verwalteten Fonds, Anstalten und Institute (Armenfonds, Stipendienfonds, Meliorations=
fonds, Straßenbaufonds, Taubstummen= und Blindeninstitute, Irrenanstalten, Feuersocietäten
u. s. w.), ferner die Mitwirkung und Kontrolle bei den Rentenbankangelegenheiten u. dgl.
b) Diejenigen Angelegenheiten, welche ihnen durch besondere gesetzliche Bestimmung überwiesen
sind, wie namentlich die durch die Dotationsgesetze ihnen übertragenen Verwaltungszweige
und Anstalten und die Unterhaltung der ehemaligen Staatsstraßen, die Verwaltung der Land-
armenverbände (§8§ 26 ff. G. v. 83. 1871), die Sorge für die Zwangserziehung verwahrloster
Kinder (G. v. 13/3. 1878); die Errichtung von Landeskulturrentenbanken (G. v. 135.
1879) u. s. w.
Zum Wirkungskreis des Provinziallandtages gehört insbesondere: 1. der Erlaß von
Statuten und Reglements; 2. die Beschlußfassung darüber, in welcher Weise vom Provinzial-
verbande aufzubringende Staatsprästationen aufgebracht werden sollen; 3. Beschlußfassung
über die zur Erfüllung von Verpflichtungen oder im Interesse der Provinz erforderlichen Aus-
gaben, zu diesem Behufe ist der Provinziallandtag befugt, über die Verwendung der dem
Prov.-Verbande aus der Staatskasse überwiesenen Jahresrenten und Fonds nach näherer
Vorschrift der Dotationsgesetze, dann über die Verwendung der Einnahmen aus sonstigem
Kapital- und Grundvermögen des Prov.-Verbandes, sowie über die Verwendung des Kapital-
vermögens selbst zu verfügen, und die Aufnahme von Anleihen und die Ausschreibung von
Provinzialabgaben zu beschließen; 4. Beschlußfassung über die Veräußerung von Grundstücken
und Immobiliarrechten; 5. Beschlußfassung über die Einrichtung des Rechnungs= und Kassen-
wesens, die Feststellung des Haushaltsetats und die Entlastung der Jahresrechnungen;
6. Feststellung der Grundsätze, nach denen die Verwaltung der Angelegenheiten des Prov.=
Verbandes zu erfolgen hat; 7. Beschlußfassung über die Einrichtung von Provinzialämtern,