§ 87. Die Verfassung der Provinzialverbände. 383
Bestimmung der Zahl, der Besoldung, sowie der Anstellung der Beamten und Wahl des Landes-
direktors (Landeshauptmanns), der demselben zugeordneten oberen Beamten, sowie der sonst-
igen leitenden Beamten einzelner Verwaltungszweige u. s. w.
Die Einberufung des Provinziallandtags erfolgt durch den König alle zwei Jahre
mindestens einmal; die Ladung der Mitglieder, sowie die Eröffnung und Schließung des
Landtags nimmt der Oberpräsident vor, welcher königl. Kommissarius und als solcher die
Mittelsperson bei allen Verhandlungen der Staatsbehörden mit dem Provinziallandtage ist.
Den Vorsitzenden und einen Stellvertreter desfelben wählt der Landtag selbst, der Vor-
sitzende leitet die Verhandlungen nach Maßgabe der vom Landtage selbst gegebenen Geschäfts-
ordnung. Die Sitzungen sind öffentlich; Ausschluß der Oeffentlichkeit ist zulässig. Der Land-
tag, welcher bei Anwesenheit der Mehrzahl der gesetzlich vorgeschriebenen Mitgliederzahl be-
schlußfähig ist, faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit; die Mitglieder des Provinzial-
ausschusses, der Landesdirektor und die ihm beigegebenen oberen Provinzialbeamten können,
soferne sie nicht selbst Mitglieder des Provinziallandtages sind, den Sitzungen desselben mit
berathender Stimme beiwohnen. ·
Bezüglich des Wirkungskreises, sowie der Einberufung und Schließung der Provinzial—
landtage und der Verhandlungen auf denselben gelten für die Kommunallandtage von Kassel
und Wiesbaden entsprechende Bestimmungen, wie für die Provinziallandtage der übrigen
Provinzen mit der Maßgabe, daß die Kommunallandtage nur alle drei Jahre zu berufen und
über Gesetzentwürfe nicht zu hören sind (hess.-nass. Pr. O. §§ 22—42). Dagegen ist der
Provinziallandtag von Hessen-Nassau, für welchen im Uebrigen die für die Kommunallandtage
erlassenen Vorschrifteu gelten, berufen: 1. über diejenigen die Provinz betreffenden Gesetzent-
würfe, sowie die sonstigen Gegenstände sein Gutachten abzugeben, welche ihm zu dem Ende
von der Staatsregierung überwiesen werden; 2. nach Maßgabe der besonderen Gesetze die
Wahlen zu den für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Behörden und
Kommissionen zu vollziehen; 3. über die Vertheilung von durch den Prov.-Verband aufzu-
bringenden Staatsprästationen zu beschließen; 4. den Prov.-Verband in denjenigen Angelegen-
heiten zu vertreten, bezw. über diejenigen Angelegenheiten zu berathen und zu beschließen,
welche ihm durch Gesetze oder königl. Verordnung oder durch übereinstimmenden Beschluß der
beiden Bezirksverbände überwiesen werden (hess.-nass. Pr. O. § 86).
IV. In der Provinz Posen ist die Pr.O. v. 29/6. 1875 nicht eingeführt und bestehen
deshalb daselbst noch die älteren Einrichtungen: Nach dem G. v. 27/3. 1824 (G. S. S. 141),
ergänzt durch die V. v. 15/12. 1830 besteht der Provinziallandtag, welcher unter Vorbehalt
der königlichen Genehmigung über die Kommunalangelegenheiten der Provinz zu beschließen
hat, aus den Vertretern der drei Stände; der erste Stand umfaßt die Fürsten von Thurn und
DTaxis (welcher sich vertreten lassen kann), Sulkowsky und Radziwill wegen ihrer in der Provinz
gelegenen Besitzungen mit Virilstimmen, einem Vertreter der Majoratsbesitzer und 22 Abge-
ordnete der Ritterschaft; den zweiten Stand bilden 16 Abgeordnete der Städte, den dritten
Stand 8 Abgeordnete der Landgemeinden. Die Wahlen der Ritterschaft erfolgen in 22 Be-
zirken, im zweiten Stande wählen Städte mit Virilstimmen jede für sich, solche mit Kollektiv-
stimmen in acht Vezirken; im dritten Stand erfolgen die Wahlen nach denselben acht Bezirken.
Im ersten Stande sind die Wahlen direkt, ebenso bei den virilstimmberechtigten Städten,
während bei den kollektivstimmberechtigten und bei den Landgemeinden die Wahl indirekt ist.
(Ueber das aktive und passive Wahlrecht vgl. §8§ 5—27 G. v. 27/4. 1824 und über die Vor-
nahme der Wahlen vgl. das Reglement v. 22/6. 1842 über das Verfahren bei den ständischen
Wahlen, G.S. S. 21).
Der Provinziallandtag wird nach dem Ermessen des Königs berufen, welcher auch den
Vorsitzenden, den Landtagsmarschall und dessen Stellvertreter für jede Session aus dem ersten
Stande ernennt. Der Landtagskommissarius, in der Regel der Oberpräsident, wohnt den Ver-