Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 91. Die Vereins= und Versammlungspolizei. 397 
kunft über die Person des Redners zu geben. Zuwiderhandlungen gegen diese letztere Vor- 
schrift sind unter Strafe gestellt (68 4 u. 14). 
4. Die Abgeordneten der Polizeibehörde sind vorbehaltlich des gegen die Betheiligten 
einzuleitenden Strafverfahrens befugt, sofort jede Versammlung aufzulösen, bezüglich deren 
die Bescheinigung der erfolgten Anzeige nicht vorgelegt werden kann, sowie wenn in der Ver- 
sammlung Anträge oder Vorschläge erörtert werden, die eine Aufforderung oder Anreizung 
zu strafbaren Handlungen enthalten oder wenn in der Versammlung Bewaffnete erscheinen, 
die der Aufforderung der Abgeordneten der Obrigkeit entgegen nicht entfernt werden. Sobald 
ein Abgeordneter der Polizeibehörde die Versammlung für aufgelöst erklärt hat, haben sich 
alle Anwesenden sofort zu entfernen. Diese Erklärung kann nöthigenfalls durch die bewaffnete 
Macht zur Ausführung gebracht werden. Wer sich nicht sofort nach der erklärten Auflösung 
entfernt, verfällt in Strafe (§§ 5, 6, 17). 
5. Niemand mit Ausnahme der im Dienste befindlichen Polizeibeamten, darf bei Strafe 
in der Versammlung bewaffnet erscheinen oder dazu auffordern oder Waffen austheilen (§8 7, 
18, 19). 
6. Oeffentliche Versammlungen unter freiem Himmel bedürfen der vorgängi- 
gen schriftlichen Genehmigung der Ortspolizeibehörde. Die Genehmigung ist von dem 
Unternehmer, Ordner oder Leiter derselben mindestens 48 Stunden vor der Zusammenkunft 
nachzusuchen und darf nur versagt werden, wenn aus der Abhaltung der Versammlung Ge- 
fahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu befürchten ist. Soll die Versammlung auf 
öffentlichen Plätzen in Städten oder Ortschaften oder auf öffentlichen Straßen stattfinden, so 
hat die Polizei bei Ertheilung der Erlaubniß auch das Verkehrsinteresse zu beachten. Im 
Uebrigen gelten für diese Versammlungen dieselben Vorschriften, wie für die Versammlungen 
in geschlossenen Räumen (§ 9). Den Versammlungen unter freiem Himmel sind öffentliche 
Aufzüge in Straßen und Ortschaften oder auf öffentlichen Straßen gleichgestellt. Bei Ein- 
holung der Erlaubniß ist der beabsichtigte Weg anzugeben. Dagegen bedürfen gewöhnliche 
Leichenbegängnisse, sowie Züge der Hochzeitsversammlungen, soweit sie hergebracht sind, kirch- 
liche Prozessionen, Wallfahrten und Bittgänge, wenn sie in der hergebrachten Art stattfinden, 
weder einer vorgängigen Genehmigung noch der Anzeige (§ 10) . 
Innerhalb zweier Meilen von dem Orte der jedesmaligen Residenz des Königs ode 
vom Orte des Sitzes beider Kammern — für die Dauer der Sitzungsperiode der Kammern — 
dürfen Volksversammlungen unter freiem Himmel von der Ortspolizeibehörde nicht gestattet 
werden (§ 11). Die verbotswidrige Theilnahme an einer Versammlung unter freiem Himmel 
ist unter Strafe gestellt (8 17). 
B. Auf die Vereine finden folgende Vorschriften Anwendung: 
1. Vorsteher von Vereinen, die eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten bo- 
zwecken, sind verpflichtet, die Statuten des Vereines und das Verzeichniß der Mitglieder binnen 
drei Tagen nach Stiftung des Vereines und jede Aenderung der Statuten oder der Vereins- 
mitglieder binnen drei Tagen, nachdem sie eingetreten sind, der Ortspolizeibehörde zur Kennt- 
nißnahme einzureichen, derselben auch auf Erfordern jede darauf bezügliche Auskunft zu er- 
theilen?); die Ortspolizeibehörde hat über die erfolgte Einreichung der Statuten und der 
Verzeichnisse, bezw. der Abänderungen eine Bescheinigung zu ertheilen. Zuwiderhandlungen 
hiergegen sind mit Strafe bedroht (§§ 2, 13). Auf kirchliche und religiöse Vereine und deren 
  
1 Vgl. Kab.O. v. 22/2. 1842 (M. Bl. d. i. V. S. 97) über bewaffnete Aufzüge der Kriegervereine 
Rönne a. a. O. S. 190 N. Za. 
2) Aus dieser Vorschrift ergiebt sich die Verpflichtung solcher Vereine, Statuten zu haben.
	        
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