8 92. Das Preßpolizeirecht. 399
zelne Vorschriften der Reichsgewerbe-O. v. 21/6. 1869 und ihrer Novellen in Betracht. Die
preßpolizeilichen Bestimmungen des Landesrechtes sind neben diesen reichsgesetzlichen Vorschriften
nur insoweit in Kraft geblieben, als das Reichsrecht selbst auf das Landesrecht verweist.
Die Vorschriften des Reichspreßgesetzes beziehen sich auf Druckschriften im engeren und
weiteren Sinne, d. h. alle Erzeugnisse der Buchdruckerpresse, sowie alle anderen, durch mecha—
nische oder chemische Mittel bewirkten, zur Verbreitung bestimmten Vervielfältigungen von
Schriften und bildlichen Darstellungen mit oder ohne Schrift und von Musikalien mit Text
oder Erläuterungen (§ 2). Das Reichspreßgesetz beruht auf dem Grundsatze der Preßfreiheit,
d. h. der Ausschließung von polizeilichen Präventivmaßregeln (Censur u. s. w.); in Folge dessen
unterliegt die Freiheit der Presse nur denjenigen Beschränkungen, welche durch Reichsgesetz
vorgeschrieben oder zugelassen sind (§ 1).
In Zeiten der Kriegsgefahr, des erklärten Kriegszustandes, des Krieges oder innerer
Unruhen, kann das Preßgesetz zeitweise suspendirt und können Beschränkungen der Preßfreiheit
eingeführt werden, soweit dieselben in solchen Fällen nach Reichs= oder Landesrecht zulässig
sind (vgl. § 93).
Nicht berührt durch das Reichspreßgesetz ist die nach einigen Landesgesetzen bestehende
Verpflichtung zur Lieferung von Freiexemplaren (Pflichtexemplaren) an Bibliotheken und öffent-
liche Sammlungen, da es sich dabei um keine polizeiliche Beschränkung handelt (§ 30 Absf. 3).
Für Preußen kommt in Betracht der § 6 Pr. G. v. 12/5. 1851, vgl. Rönne II, S. 151,
Note 1.
II. Das Preßgewerbe, d. h. der Betrieb derjenigen Gewerbe als deren Gegenstand
die Herstellung und Verbreitung von Druckschriften erscheint, unterliegt den Vorschriften der
Reichsgewerbeordnung, ist also grundsätzlich freigegeben. Nach §§ 14 und 148 R.Gew.O.
müssen jedoch Buch= und Steindrucker, Buch= und Kunsthändler, Antiquare und Leihbibliotheken,
Inhaber von Lesekabinetten, Verkäufer von Druckschriften, Zeitschriften und Bildern bei der
Eröffnung ihres Gewerbes das Lokal desselben, sowie jeden späteren Wechsel spätestens am
Tage seines Eintrittes bei Vermeidung einer Strafe bei der zuständigen Behörde des Wohn-
ortes (Gemeindebehörde, Anweisung v. 499. 1869, M. Bl. d. i. V. S. 202) anzuzeigen. Eine
Entziehung der Befugniß zum selbstständigen Betriebe eines Preßgewerbes oder sonst zur Her-
ausgabe und zum Betriebe von Drucksachen kann weder im administrativen noch im richterlichen
Wege stattfinden (§ 1 R. Preß-G.).
Was das gewerbsmäßige Verbreiten und das Hausiren mit Druckschriften anlangt, so
kommen die §§ 43 u. 56 der R.Gew.O. zur Anwendung.
Nach § 43 a. a. O. bedarf aber derjenige, welcher gewerbsmäßig Druckschriften oder
andere Schriften oder Bildwerke auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen
öffentlichen Orten ausrufen, verkaufen, verteilen, anheften oder anschlagen will, einer Erlaubniß
der Ortspolizeibehörde und muß den über diese Erlaubniß auszustellenden, auf seinen Namen
lautenden Legitimationsschein bei sich führen.
Zur — gewerbsmäßigen wie nicht gewerbsmäßigen — Vertheilung von Stimmzetteln
und Druckschriften zu Wahlzwecken bei der Wahl zu gesetzgebenden Körperschaften ist jedoch
eine polizeiliche Erlaubniß in der Zeit von der amtlichen Bekanntmachung des Wahltages bis
zur Beendigung des Wahlaktes nicht erforderlich (§ 43 Abs. 3 u. 4. a. a. O.).
In Bezug auf das Kolportiren, bezw. Hausiren mit Druckschriften bestimmt § 56
Abs. 2 Z. 10, daß Druckschriften, andere Schriften und Bildwerke, insofern sie in sittlicher
oder religiöser Beziehung Aergerniß zu geben geeignet sind, oder welche mittels Zusicherung
von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden, vom Feilbieten im Umherziehen ausgeschlossen
sind. Im Uebrigen hat nach § 56 Abs. 3 a. a. O., wer Druckschriften, andere Schriften oder